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Archiv-Artikel

SOUNDTRACK

Irgendwo zwischen 80er Glamour-Britpop, Depeche Mode, Folk und den Versponnenheiten des 60’s Psychedelic bewegen sich Erland and the Carnival in einem geradezu gespenstisch großen musikalischen Referenzrahmen. Dass sie sich dabei allen Brüchen und eklektizistischen Anleihen zum Trotz nicht hoffnungslos verlaufen und verfransen, am Ende gar wie ein verpupptes Medley klingen, das verdankt die Band der gelungenen Umsetzung ihrer Idee, Folkklassiker und catchy Melodien mit morbidem Charme, karnevalistischer Entgrenzung und allerlei Schalala zu tanzbarer Popmusik zu verarbeiten, und zwar so, dass selbst das Unbehagliche am Ende warm und spleenig statt muckermäßig-erhaben daherkommt. Do, 28. 4., 20 Uhr, Prinzenbar, Kastanienallee 20

Während im Schanzenviertel die Straße schmilzt, präsentiert Tiziano Sgarbi alias Bob Corn die Abseite des großen Aufstandes. Zwischen angedeuteter Melancholie, freundlicher Redensart und Punk erweist sich der vollbärtige Mann aus Nord-Italien als ein wunderbar zerbrechliches Aufeinandertreffen von Will Oldham und Paolo Conte – und die Welt ist am Ende um die Erkenntnis reicher, dass sich auch im Sitzen gut tanzen lässt. Kapelle Herrenweide im Sitzen mitzunehmen, dürfte ungleich schwieriger sein. Die Hamburger kombinieren musikalisch den Norden Europas (Finnland), den Südosten („Balkanregion“) und die deutsche Tiefebene (Sven Regener) zu einem von Trompete und Akkordeon angefeuerten Polkarock-Spektakel. Sa, 30. 4., 21 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2

Deerhoof (Foto) ergeht es seit ihrer Gründung ein wenig so wie dem Kampftag der ArbeiterInnenklasse. Beide sind Lieblinge der Kritik, aber die Massen ziehen dann doch lieber mit Bier und Wurstsalat an den Elbstrand oder zur neuesten angesagten Band, die wie ihr Vorgänger klingt. Dabei folgt das bereits seit 17 Jahren existierende kalifornische Quartett nicht einmal Lenins unromantischem Diktum zur Musik, demzufolge man die Leute besser „schlagen, erbarmungslos schlagen“ solle, statt „liebe Dummheiten“ zu plappern. Sie sind einfach nur veränderungswütig, uneinschätzbar, im Kampf mit Songstrukturen auf der Seite der überraschenden Wendungen. Zwischen harschen Brüchen, schief-kindlichen Intonationen von Sängerin Satomi Matsuzaki und schrillen Gitarren blitzen gleichzeitig aber auch unentwegt freundliche Pop-Momente auf, die deutlich machen: wir könnten, wenn wir nur wollten. Und das unterscheidet diese höchst innovative Band dann vielleicht doch von der ArbeiterInnenklasse und ihrem hohen Tag. So, 1. 5., 21 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84

Diesem Mann hat eine ganze Generation von Emo-Punks zwischen dem Ende der 1980er und der Mitte der 1990er Jahre die Instrumentalisierung einer entscheidenden und grundlegenden Lebensphase zu verdanken. Zumindest gehörten „Jawbreaker“ und ihr Sänger Blake Schwarzenbach damals zu den herausragenden Köpfen des Genres und lieferten eine Reihe von dreiminütigen Punkrock-Perlen mit unbedingter Mollnote ab, die man heute noch gerne als prägend bezeichnet. Mit „Jets to Brazil“ folgte später eine poppige Fortsetzung, bis sich Schwarzenbach erst einmal für einige Jahre zurückzog. Jetzt taucht er mit dem Trio Forgetters wieder auf und die Band präsentiert sich dabei als eine Art Verbindungsstück zwischen roher jugendlicher Sehnsucht und jener besonderen Art abgeklärter Wut, die wohl nur Erwachsene hervorzubringen in der Lage sind, die früher einmal voller roher jugendlicher Sehnsucht waren. Hier jedenfalls gilt nur ein Gesetz: das Schlagzeug treibt immer nach vorne, der Bass wiederum trägt die Songs, die düstere Gitarre umweht das Ganze und jedes Lied ist damit: eine kleine abgefuckte Hymne, für die wir uns ganz aufrichtig bedanken. Mi, 4. 5., 21 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84 NILS SCHUHMACHER