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Archiv-Artikel

KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Mir ist schon ganz schwindelig vor lauter Vorfreude: Quer durch Berlin macht sich der Kunstherbst startklar. Morgen Abend beginnt die Kunstwoche der Kommunalen Galerien (12.–21. 9., Infos: www.kgberlin.net). Und bevor sich der Rest auch aus den Startlöchern erhebt, ist mit Storm Tharp bei Feldbuschwiesner einer meiner Lieblingsmaler zu sehen. Tharps Porträts sind mehr als figurative Abbildung. Ob er aus der Fantasie malt oder Menschen, die er kennt, Tharp gibt seinen Figuren abstrakte Elemente wie geometrische Formen, metallische Effekte oder verwischte Bildelemente bei, die ihren Ausdruck extrem verstärken. Ein kantig gemaltes Gesicht wie das des Mannes in „Talk“, erzeugt über Flächen vor allem eins: Tiefe. Dann ist in „F“ dort, wo ein Gesicht gewesen wäre, alles wie von der Figur selbst mit Farbe weggescheuert und nur noch ein Ohr angedeutet. Der Malakt wird Thema, aber auch die Tatsache, dass kein Gesicht je stillsteht. Der Blick zurück ist oft so eindringlich, dass klar wird: Tharp will die abgebildeten Persönlichkeiten nicht einfangen, sondern freilassen (Mi.–Sa., 12–19 Uhr, Linienstr. 155).  In der Invaliden1 zeigt Rui Calçada Bastos ein ähnliches Gespür für die Eigenästhetik kantiger Formen. Seine abstrakten Bildausschnitte zeigen vor allem Straßenmarkierungen. Bei ihm werden sie allerdings zu Wegweisern zufälliger Ästhetik, die mit Berliner Asphalt nicht mehr viel zu tun haben. Die Videoprojektion „Another sequence of events / eine andere Sequenz von Ereignissen“ folgt Wasserspuren auf einem Sportplatz oder den rhythmischen Lichtsignalen, die der Verkehr bei Nacht auf einer Stromleitung erzeugt. Simple Details des Alltags treffen hier per Zoom und Zeitraffer in neuen Konstellationen aufeinander. Es geht nicht um ein Ziel, sondern um Wahrnehmung selbst (Di.–Sa., 11–18 Uhr, Schönleinstr. 25).  Genauso kann man sich bei dem ganzen Aufgebot, das während der Berlin Art Week auf uns zukommen wird, die Augen reiben. Dienstagabend eröffnet sie mit der Gruppenausstellung „Schwindel der Wirklichkeit“ in der Akademie der Künste. Arbeiten von Harun Farocki, Olafur Eliasson oder Valie Export erkunden, wie die Kunst die Wirklichkeit herausfordert, indem sie die Betrachter_innen einbezieht und zum Neudenken provoziert – durch Closed-Circuit-Videoinstallationen, Lichtwelten oder partizipative Performances. Manos Tsangaris „Metabolisches Büro zur Reparatur von Wirklichkeit“ wird das alles hoffentlich auf die Spitze treiben (16. 9., 19 Uhr, Hanseatenweg 10). Und das ist nur der Anfang. Ich mache nächste Woche jedenfalls durch und empfehle schon mal allen vorzuschlafen.