: Der Schäuble-Katalog
VON CHRISTIAN RATH
Die große Koalition will den Sicherheitsbehörden zahlreiche neue Befugnisse im Kampf gegen Terroristen einräumen. Rund die Hälfte davon betrifft das Bundeskriminalamt (BKA), denn das BKA kann seit der Föderalismusreform im Oktober 2006 auch präventiv tätig werden. Welche Befugnisse das BKA konkret bekommt, soll ein Gesetzentwurf klären, dessen Entwurf Innenminister Schäuble (CDU) Mitte April vorlegen will. Andere Maßnahmen, wie die Speicherung der Fingerabdrücke aller Bürger, haben damit nichts zu tun. Hier ist der Zeitplan auch noch unklar, meist laufen noch interne Gespräche auf Koalitionsebene. Vorigen Donnerstag beriet der Koalitionsausschuss darüber.
Die FINGERABDRÜCKE des linken und rechten Zeigefingers werden ab November 2007 bei neu ausgegebenen Reisepässen in verschlüsselter Form in einem Chip gespeichert. Schon seit 2005 werden die Passbilder in verschlüsselter Form auf diesem Chip festgehalten. Dies soll die Pässe fälschungssicher machen. Bisher sind diese biometrischen Daten nur auf dem Chip gespeichert, nicht bei der Passbehörde. Die Union will nun, dass diese Daten auch bei den Behörden vorrätig sind. Sie könnten dann auch für Fahndungszwecke verwendet werden. Die SPD lehnt dies noch ab, weil sie darin den Einstieg in eine bundesweite Datei mit den Fingerabdrücken und Fotos aller Bundesbürger sieht.
Die MAUTDATEN werden schon bisher gespeichert, sie dürfen laut Gesetz aber nur zu Abrechnungszwecken verwendet werden. Nachdem 2005 ein Lkw-Fahrer einen Parkplatzwächter überrollte, forderte Innenminister Schäuble jedoch, die Daten auch für Fahndungszwecke zu nutzen. Auch die SPD will den „schweren Fehler“ des Gesetzgebers korrigieren, kündigte Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, schon im Vorjahr an. Die SPD will die Mautdaten allerdings nur für die Strafverfolgung nutzen, Schäuble auch für die Prävention durch das BKA. Derzeit gibt es Mautdaten nur für den Lkw-Verkehr, die Einführung einer Pkw-Maut ist aber immer wieder im Gespräch.
Die RASTERFAHNDUNG ist gesetzlich bereits zur Strafverfolgung und auch präventiv zur Gefahrenabwehr zugelassen. Bei der Rasterfahndung werden Daten aus unterschiedlichsten Dateien miteinander verknüpft, um Straftäter oder Gefährder zu identifizieren. Für die Gefahrenabwehr sind derzeit nur die Landespolizeien zuständig. Eine bundesweite Rasterfahndung wie die (erfolglose) Suche nach unentdeckten islamistischen Terroristen ab 2002 wurde vom BKA nur koordiniert. Schäuble will, dass das BKA künftig selbst präventive Rasterfahndungen durchführen kann.
Der Bundesgerichtshof hat die ONLINE-DURCHSUCHUNG VON COMPUTERN im Februar bis auf weiteres verboten, weil eine gesetzliche Ermächtigung fehlt. Diese Rechtsgrundlage will die Koalition nun schaffen. Es ist Konsens, dass das BKA präventiv Computer ausspähen soll. Ob sich die Polizei auch zur Strafverfolgung einhacken darf, wird noch zwischen Schäuble und Justizministerin Zypries (SPD) diskutiert.
Die TELEFONÜBERWACHUNG ist bisher bundesweit nur zur Strafverfolgung zulässig. Einige Ländergesetze habe sie auch für präventive Zwecke eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick auf das niedersächsische Gesetz 2005 entschieden, dass präventive Telefonüberwachung nur zum Schutz „überragend wichtiger Gemeinwohlbelange“ möglich ist. Künftig soll auch das BKA die Telekommunikation präventiv überwachen dürfen. Schäuble plant außerdem eine Änderung des G-10-Gesetzes, das die Telefonüberwachung durch Geheimdienste regelt. Was hier konkret geplant ist, wollte das Innenministerium gestern nicht sagen.
Der „GROSSE LAUSCHANGRIFF“, also die Wohnraumüberwachung mittels Wanzen und Richtmikrofonen, ist derzeit zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr zulässig. Neben den Landespolizeien soll künftig aber auch das BKA Wanzen installieren dürfen. Außerdem will die Union das Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2004 aushebeln, mit dem der Große Lauschangriff eingeschränkt wurde. Seither ist der „Kernbereich privater Lebensgestaltung“, also das in der eigenen Wohnung geführte Gespräch mit Familie und Wohngemeinschaft, vor dem Mithören geschützt. Rot-Grün hat das Urteil 2005 so umgesetzt, dass die Überwachung unterbrochen werden muss, sobald über private Dinge gesprochen wird. Wann die Überwachung fortgesetzt werden kann, muss im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.
Die Polizei hält das für unpraktikabel. 2005 gab es deshalb nur noch sechs Lauschangriffe. Die Union schlägt stattdessen die Einführung eines „Richterbandes“ vor. Danach läuft die Überwachung auch dann weiter, wenn über Privates gesprochen wird. Ein Richter hört das Band später ab und entscheidet, welche Passagen für die Polizei relevant sind. Justizministerin Zypries hat dies bisher abgelehnt, weil Karlsruhe nicht nur die Verwertung, sondern auch das Aufnehmen von Privatgesprächen verboten hat. Die CDU will deshalb das Grundgesetz ändern, um das Richterband doch noch einführen zu können.
Die KRONZEUGENREGELUNG für Terroristen war 1989 eingeführt und 1994 auf die organisierte Kriminalität erweitert worden. 1999 lief die befristete Regelung aus. Seitdem plant die Bundesregierung eine dauerhafte Kronzeugenregelung für alle Delikte. Sie ist im Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU auch ausdrücklich vorgesehen. Derzeit berät die Regierung noch über die Details.
Auch über eine VERSCHÄRFUNG VON § 129 a DES STRAFGESETZBUCHES wird in der Regierung beraten. Der Paragraf bestraft die bloße Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, auch ohne nachweisbare Teilnahme an konkreten Straftaten. Die Bundesanwaltschaft kritisiert schon lange, dass sich islamistische Terroristen selten in dauerhaften Vereinigungen à la RAF organisieren, sondern eher lose Netzwerke bilden oder sich als Einzeltäter in die Luft sprengen. Möglicherweise wird Paragraf 129 a auf solche Terrorismusformen erweitert.
Schließlich will Schäuble das NACHRICHTENDIENSTLICHE INFORMATIONSSYSTEM (NADIS) modernisieren, um den Datenaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zu erleichtern.