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Archiv-Artikel

Theater unter dem Diktat des Wachstums

Pierwoß’ ertragreiche letzte Spielzeit nutzt seinen Nachfolgern – und macht ihnen gleichzeitig das Leben schwer

Wolfgang Patzelt ist vom Aufsichtsrat des Bremer Theaters nun offiziell zum Geschäftsführer des Bremer Theaters ernannt worden. Genauer gesagt, zum Geschäftsführer des „Theater Bremen“ – mit dem anstehenden Intendantenwechsel gehen etliche verbale Rochaden einher.

Patzelt allerdings wurde nicht wegen wohlfeiler Worte inthronisiert, sondern weil sich die unter seiner Ägide erwirtschafteten Betriebszahlen tatsächlich sehen lassen können. Das Haus geht einem Spielzeit-Abschluss von – schwarz geschrieben – 600.000 Euro entgegen, die Auslastung hat sich von zuletzt 72 auf 79 Prozent gesteigert. Dem Saldo kommt außerdem zugute, dass darin nur noch sechs statt der bisherigen neun Prozent Freikarten enthalten sind. Patzelt ist seit 16 Monaten kommissarisch im Amt, allerdings nur mit einem Umfang von zwei Tagen die Woche – das Gros seiner Arbeitskraft musste der 59-Jährige bislang seinem Primär-Arbeitgeber widmen, dem Automobil-Bereich der „BLG Logistics“-Gruppe. Seine Theatertätigkeit gilt als derart effizient, dass das Kulturressort den vor längerem angesetzten Headhunter wieder von seinem Suchauftrag entband – eigentlich galt die Devise, einen genuinen Kulturmanager für die Besetzung des seit der Kündigung von Lutz-Uwe Dünnwald vakanten Postens zu gewinnen.

Die eigentliche Bewährungsprobe steht Patzelt allerdings erst bevor. In der kommenden Spielzeit müssen die Einnahmen des Theaters um 25 Prozent gesteigert werden – eine mehr als ambitionierte Vorgabe seitens des Kultursenators. Immerhin können sich Patzelt und der designierte Generalintendant Hans-Joachim Frey mit einem, bald schon historischen, Beispiel ermutigen: Nachdem Klaus Pierwoß 1994 die Intendanz von Hansgünther Heyme übernommen hatte, verdreifachte er sowohl die Abonnenten- als auch die absoluten Zuschauerzahlen. Freilich leben solche Steigerungsraten naturgemäß auch von ihrer Ausgangsbasis: Unter Heyme, der sein Amt vorzeitig abgab, ging das Theater in die Knie, es gab nicht nur schlecht besuchte Vorstellungen, sondern auch viel von vornherein geplanten Leerstand.

Frey hingegen findet ein Haus vor, das derzeit einen „Lauf“ hat wie lange nicht. Zwar ist die Pierwoß’sche Spitzenspielzeit 1999/2000 mit ihren über 80 Prozent Auslastung noch nicht erreicht, aber das einmalig dichte Programm der Abschiedssaison – Pierwoß hat die wesentlichen Regisseure seiner Intendanz noch einmal engagiert – tut seine Wirkung. Auch insgesamt hat Pierwoß, ungeachtet der überstandenen Insolvenz-Szenarien, den Goetheplatz finanziell durchaus nach vorn gebracht: Bereits in den ersten fünf Jahren seiner Bremer Amtszeit sparte er, nach Angaben der im Deutschen Bühnenverein organisierten Intendanten, 7,5 Millionen Euro gegenüber dem Budget seines Vorgängers. Henning Bleyl