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Archiv-Artikel

Kurioses Gezerre um Sanktionen

EUROPÄISCHE UNION In Brüssel kann niemand erklären, warum die Sanktionen gegen Russland erst verschoben und dann doch verhängt werden. Drahtzieher: das Sekretariat

Bestätigen wollte in Brüssel niemand, dass es Pressionen aus Berlin gegeben habe

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Nach tagelangem Gezerre treten nun doch die neuen, härteren Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland in Kraft. Darauf haben sich die Botschafter der 28 EU-Länder am Donnerstag in Brüssel geeinigt. Zwar hatten mehrere Staaten Bedenken geäußert und die Umsetzung gestoppt. Am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angel Merkel jedoch auf den Tisch gehauen und sofortigen Vollzug gefordert.

Eigentlich waren die Sanktionen als Reaktion auf die russische Militärintervention gedacht. Sie sollten Russland stoppen und den Krieg beenden. Doch nun herrscht schon seit einigen Tagen eine – wenn auch brüchige – Waffenruhe in der Ostukraine. Zudem zieht Russland seine Militärs ab, wie selbst Präsident Petro Poroschenko bestätigt. Doch der EU genügt das nicht mehr.

Merkel forderte, den 12-Punkte-Friedensplan komplett umzusetzen. Erst danach könne man über ein Ende der Sanktionen nachdenken. Ähnlich äußerte sich auch EU-Ratspräsident Van Rompuy. Nachdem er am Montag überraschend die bereits beschlossenen neuen Strafen ausgesetzt hatte, teilte er nun mit, dass Russland bis zum Monatsende den Friedensplan erfüllen müsse. Danach will die EU die Sanktionen überprüfen.

Die neuerliche Wende sei vom Sekretariat des Rates herbeigeführt worden, sagte ein EU-Diplomat. Das Sekretariat, das von dem Deutschen Uwe Corsepius (Ex-Merkel-Berater) geleitet wird, habe auf der Umsetzung des Sanktionsbeschlusses bestanden. Bestätigen wollte in Brüssel allerdings niemand, dass es Pressionen aus Berlin gegeben habe. Allerdings konnte auch keiner erklären, warum die Strafen nun trotz Waffenruhe verhängt werden. Offenbar möchten Merkel und andere EU-Chefs Härte und Entschlossenheit zeigen.

Gegen Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt hatten sich Finnland, Tschechien und die Slowakei ausgesprochen. Nach unbestätigten Angaben haben auch Italien, Ungarn und Bulgarien Vorbehalte. Sie verweisen auf die Waffenruhe und auf mögliche Nachteile für ihre heimische Wirtschaft. Demgegenüber glauben andere Staaten, dass erst die Drohung mit Sanktionen Russland zum Einlenken bewogen habe. Dies müsse man nun fortsetzen. Die Sanktionen sollen vor allem den Zugang russischer Banken zum EU-Kapitalmarkt erschweren, Hochtechnologieexporte für die Ölförderung in der Arktis verbieten und die russische Rüstungsindustrie treffen. Betroffen wären auch die Energiekonzerne Rosneft, Transneft und Gazprom. Details sind noch nicht bekannt, da sie erst im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Russland hatte bereits gedroht, den Luftraum für europäische Airlines zu schließen.

Ein Nato-Vertreter erklärte, nach wie vor seien rund tausend russische Soldaten in der Ukraine im Einsatz. Außerdem stünden 20.000 russische Soldaten an der Grenze. Der ukrainische Präsident Poroschenko hatte am Mittwoch gesagt, 70 Prozent der russischen Soldaten seien aus dem Südosten abgezogen.

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