: Schäubles Raster ist zu grob
Der Innenminister kann neue Fahndungsmethoden einführen, aber Grundgesetz und Karlsruher Rechtsprechung stehen einer häufigen Nutzung entgegen
FREIBURG taz ■ Wenn es nach Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht, soll das Bundeskriminalamt (BKA) bald präventiv Rasterfahndungen durchführen können. Das ist Teil von Schäubles Vorschlägen, das BKA mit Befugnissen zur Gefahrenabwehr auszustatten. Bei einer Rasterfahndung werden Personen, die in ein bestimmtes Täterprofil passen, durch Abgleich verschiedener Dateien identifiziert. Diese Personen müssen dann aber individuell überprüft werden.
Bisher gab es in Deutschland erst zwei Rasterfahndungen, 1977 bei der erfolglosen Fahndung nach den RAF-Entführern von Hanns Martin Schleyer sowie nach den Al-Qaida-Anschlägen vom 11. September 2001. Während die erste Rasterfahndung auch der Strafverfolgung diente, waren die Attentäter von 2001 entweder tot oder im Ausland untergetaucht. Diese Rasterfahndung war daher eindeutig präventiv und diente der Suche nach bisher unbekannten islamistischen Terroristen, so genannten Schläfern.
Geregelt sind präventive Rasterfahndungen bisher in den Polizeigesetzen der Länder, deren Polizeibehörden dafür auch zuständig sind. Bei der Schläfer-Fahndung wurde die zentrale Auswertungsdatei zwar vom BKA geführt, aber nur im Auftrag der Länder. Praktisch war das nicht, denn die Rechtsgrundlagen und Herangehensweisen unterschieden sich. Drei Länder – Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein – mussten die Möglichkeit zur Rasterfahndung in ihren Polizeigesetzen sogar erst noch einführen.
Diese Rasterfahndung gilt heute als Fehlschlag. Erfasst wurden die Daten von 8,3 Millionen Menschen. Am Ende wurden 1.689 muslimische Studenten und Exstudenten näher überprüft. Kein einziger potenzieller Terrorist wurde gefunden. Nur BKA-Chef Jörg Ziercke hält die Rasterfahndung für einen Erfolg. Man habe Erkenntnisse über die islamistische Szene gewonnen und potenzielle Terroristen verunsichert. Mehrere verdächtige Personen hätten sogar aus Angst vor der Rasterfahndung das Land verlassen, sagt Ziercke.
Schäuble will, dass das BKA solche präventiven Rasterfahndungen künftig nicht mehr im Auftrag der Länder, sondern in eigenem Namen durchführen kann. Selbst wenn das BKA-Gesetz entsprechend geändert würde, könnte Raster-Fan Ziercke dann aber auch nicht nach eigenem Gusto loslegen.
Zum einen steht dem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2006 entgegen. Karlsruhe hat darin für präventive Rasterfahndungen hohe Hürden aufgestellt. Nur wenn die „konkrete“ Gefahr von Anschlägen besteht, darf per Datenfahndung nach potenziellen Terroristen gesucht werden. Eine „allgemeine Bedrohungslage“, wie sie nach dem 11. September bestand, genügt nicht. Ziercke hält das Urteil zwar für falsch, müsste sich aber doch daran halten.
Außerdem haben auch die Länder noch den Fuß in der Tür. Laut Grundgesetzänderung vom September letzten Jahres können dem BKA zwar erstmals präventive Befugnisse gegeben werden – aber nur, wenn die Landesinnenminister das BKA um Übernahme des Falles bitten. Eine bundesweite Rasterfahndung würde es auch in Zukunft nur dann geben, wenn weithin Konsens über ihre Notwendigkeit besteht. CHRISTIAN RATH