: Bekannt, aber „unerwartet“
Strahlender AKW-Beton
„Unerwartet“ sind mindestens 600 Tonnen radioaktiver Beton im Atomkraftwerk Stade aufgetaucht, so stark verstrahlt, dass er in einem Atommülllager untergebracht werden muss: Mit dieser Mitteilung überraschte die Atomaufsicht des niedersächsischen Umwelt- und Energieministeriums am Dienstag.
Überraschend ist dabei besonders der Zeitpunkt, an dem die Öffentlichkeit informiert wurde. Zwar räumen die Beamten des grünen Umweltministers Stefan Wenzel selbst ein, dass sie seit Februar von dem Problem wussten. Zwar gibt es in Sachsen seit Monaten heftige Proteste gegen den Transport von Bauschutt aus anderen Teilen des AKW Stade auf die dortige Deponie Grumbach. Zwar rollte genau an dem Tag, an dem die 600 Tonnen des radioaktiven Betons Thema wurden, ein erster LKW mit Stader Bauschutt in die sächsische Schweiz.
Einen Zusammenhang aber will das Umweltministerium nicht sehen: Der Bauschutt sei „freigemessen“, seine Radioaktivität betrage kaum mehr als die natürliche Strahlung. Vielleicht liegt der Grund für die um rund sechs Monate verspätete Information der Öffentlichkeit aber darin, dass Atomaufsicht und der AKW-Betreiber Eon schlicht froh sind, immerhin 700 Tonnen des „freigemessenen“ Schutts nach Sachsen abschieben zu können? In Niedersachsen jedenfalls will das Material niemand.
Bleibt das neue Problem der 600 Tonnen strahlenden Betons: Die stecken in der „Kalotte“, also im unteren Teil des Sicherheitsbehälters. Nach Angaben der Atomaufsicht ist dessen Bodenbereich „flächendeckend kontaminiert“.
Natürlich nur bei Druckprüfungen im Zuge von Revisionen soll Wasser aus dem Primärkreislauf des Reaktors ausgetreten sein. Jetzt steckt es als radioaktive „Kondensnässe“ im Beton. Nach einer „Grobdekontamination“ soll dieser in 20 Tonnen schwere Blöcke zersägt und mit einem eigens in den Sicherheitsbehälter eingebrachten Kran „ausgeschleust“ werden.
Und dann? Natürlich weiß niemand, wohin mit dem Atommüll. Ein Endlagerstandort soll laut Gesetz frühestens 2031 in Sicht sein – und Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel schätzt schon heute, dass die Suche „zwei bis drei Jahrzehnte länger“ dauern wird. WYP