Im Mikrokosmos eines Ghettos

Constellation-Operation: Tänzer residieren im Labor für Kunst der psychiatrischen Klinik in Bedburg-Hau

Kunst kennt Extreme und immer hatte Kunst in den letzten Jahrzehnten auch schon mit Grenzsprengungen zu tun.

(Jan Hoet zum 10-jährigen Bestehen des Kunstlabors ArToll)

Das ArToll Kunstlabor ist ein dreistöckiges, altes Gebäude der Rheinischen Kliniken in Bedburg-Hau. Auf einem ungefähr achtzig Hektar großen park- oder waldartigen Gelände stehen die fast hundert Gebäude der Klinik, in denen etwa 90 psychisch kranke Menschen verwahrt und versorgt werden. Um einige der Häuser sind Gitter und Mauern, wie Käfige, Gefängnisse, Forensik. Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten seit 1994 temporär an diesem besonderen und abgeschirmten Ort – und das ist immer eine riskante und abenteuerliche Gratwanderung. „Das ArToll ist ein ungewöhnlicher Ort, an dem ungewöhnliche Menschen ungewöhnliche Dinge tun“, sagt Uwe Dönisch Seidel, der Vorsitzende des Kunstlabor-Vereins.

Seit Anfang April residieren dort sieben Tänzerinnen und ein Tänzer. Alle leben in London, haben am dortigen Laban Centre zeitgenössischen Tanz studiert. Unter dem Titel „constellation-operation“ werden sie am Wochenende sich und ihre Arbeitsprozesse präsentieren. Und das sind tänzerische Experimente über das Aus-Tauschen und Mit-Teilen. Mitten im Mikrokosmos eines gesellschaftlichen Ghettos werden das fragmentarisch Versuche einer Verortung zwischen Eigenem und Fremden. Die TänzerInnen operieren in räumlichen, zeitlichen und personellen Konstellationen, die als Bedingungen die Möglichkeiten ihres Handelns erst produzieren. Als Operierende müssen sie sich dem Vorhandenen stellen.

Die TänzerInnen bilden dazu auch soziale Konstellationen. Netzwerke, deren Knoten sich im und um das Londoner Laban Centre geknüpft haben, manchmal wieder lösen oder neu arrangiert werden. Diese Netze funktionieren nicht über Einheiten und Harmonien, sondern über Differenzen, auch Kollisionen und Inkompatibilitäten. Daher pragmatisch, aber gleichzeitig ideell in einem spekulativen Sinn. „Das in London vorbereitete Material, konnte nicht einfach ins ArToll, an diesen Ort und seine Atmosphäre transportiert werden, es funktionierte einfach nicht, man selbst funktioniert hier anders und muss sich dem Raum neu stellen“, so Angela Blumberg, Tänzerin und künstlerische Leiterin des Projekts „Constellation-Operation“. PEL

14. April, 19:00 Uhr 15. April, 15:00 und 19:00 Uhr Kunstlabor in Bedburg-Hau Rheinische Kliniken, Haus 6 Infos: 02821-7155632