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: Schleimer und Sizilianer
SCHACHSEITEN: Übertragung von Turnieren, Spiele für Laien, Blogs von Profis – der Denksport profitiert enorm vom Internet
Schach ist eine Sportart, die stark vom weltweiten Web profitiert hat. Die Partien bedeutender Turniere werden regelmäßig live im Internet übertragen, zahllose Schach-Webseiten verbreiten Neues – und vor allem kann man jederzeit Mitspieler auf Schachservern finden. Hunderttausende von Partien werden täglich im Netz ausgetragen.
Der Blog von Magnus Carlsen ermöglicht seit Mitte Januar einen Einblick ins Turnierschach. Der Norweger ist nicht irgendein Schreiber – der 16-Jährige ist ein „Wunderkind“, wie die erste Biografie über ihn heißt. Mit zwölf Jahren entzückte der Junge aus Lommedalen bei Oslo die Experten, als er der Legende Garri Kasparow rotzfrech ein Remis abtrotzte. Mit 13 Jahren und drei Monaten wurde der Junge Großmeister. Der neue Weltranglistenerste Viswanathan Anand erklärte deshalb vor wenigen Wochen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Magnus nicht Weltmeister wird.“
Der Inder sagte dies nach seinem Turniersieg in Linares. Im „Wimbledon des Schachs“ hatte sich Carlsen lange Zeit mit Anand ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert und belegte am Schluss Platz zwei. Die Szene verfolgte gespannt seine fast täglichen Blogeinträge aus Spanien. Von dort und vom Schnell- und Blindschach-Mekka Monaco berichtete Vater Henrik Carlsen über den Verlauf der Partien. Zum Beispiel, dass „Magnus im Duell der beiden besten Junioren“ von Teimur Radjabow durch das „Jänisch-Gambit mit 3.f5“ überrascht wurde. Insider begeistern sich für die dargestellten Feinheiten und neue Eröffnungszüge in der Sizilianischen Verteidigung, die beileibe nichts mit der Mafia zu tun hat – auch wenn es auf dem begrenzten Schlachtfeld aus 64 Feldern meistens hoch hergeht.
Sprengstoff vermeidet das Blog freilich. Die einzige Nachricht gegen den Strich war im ersten Vierteljahr eine klare Aussage zur WM. Magnus Carlsen hatte sich fürs Achtelfinale qualifiziert und trifft nun auf den in Berlin lebenden Armenier Lewon Aronjan. Nachdem der Schach-Weltverband Fide eine neue Marschroute für die WM ausgab, mokierte sich Familie Carlsen über die „gewaltigen Privilegien“ von Weltmeister Wladimir Kramnik.
Wer mehr Konfrontation schätzt, findet bei drei anderen Blogs Stoff: „Chess Ninja“ alias Mig Greengard hat allerdings seine beste Zeit hinter sich. Der in den USA lebende Journalist erlebte seine Glanzzeit zusammen mit Kasparow. Seit dieser in die russische Politik wechselte, fehlt es Greengard an tiefen Einblicken, die er Schachspielern von ihrer Nummer eins liefern kann. Vorteil dabei: Das peinliche Geschleime rund um Kasparow bleibt einem nun erspart.
Keinerlei Beweihräucherung betreibt seit Mai 2005 die New Yorkerin Susan Polgar. Die gebürtige Ungarin ist die Älteste der drei legendären Polgar-Schwestern. Die Exweltmeisterin greift auch heiße Eisen auf und bezieht klar Stellung.
Das gilt ebenso für den einzigen erwähnenswerten deutschsprachigen Schach-Blog. Stefan Löffler kennt sich als Journalist und Internationaler Schach-Meister ebenso wie Susan Polgar vorzüglich aus. Ein Blatt nimmt er ebenso nicht vor den Mund und freut sich zum Beispiel im letzten Eintrag über den „überfälligen Abtritt“ des Präsidenten des Deutschen Schachbundes, Alfred Schlya. Diesen soll Robert von Weizsäcker, Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Richard, beerben. Für den deutet Löffler zunächst Sympathie an, aber leider lässt er seine Unzufriedenheit mit dem eigenen Dasein aufblitzen. Am Schluss neidet er dem Münchner Professor der Finanzwissenschaft Schreibaufträge, die bei ihm – was der in Österreich lebende Bundesligaspieler offen beklagt – ausbleiben: „Als ob der Sohn aus gutbetuchtem Hause das nötig gehabt hätte“, habe von Weizsäcker „einige Zeit einige der bestbezahlten deutschen Schachspalten eher schlecht als recht verwaltet.“ Pech für Stefan Löffler, dass Schach-Blogger keine Reichtümer ansammeln. HARTMUT METZ
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