: Keine Gleichheit der Individuen
betr.: „Steuern für Firmen müssen runter“ von Lothar Binding, „Wer hat, dem wird gegeben“ von Lorenz Jarass, taz vom 30. 3. 07
Lothars Bindings Argumentation ist ein Bekenntnis dazu, dass die angebliche Gleichheit der ökonomischen Individuen, was ihre Ausgangsposition und ihre Möglichkeiten anbetrifft, eine Schimäre ist. Weit entfernt von der Vorstellung, dass jeder sich seine eigene ökonomische Grundlage schafft, wird die existenziell-ökonomische Abhängigkeit der Arbeitnehmer vorausgesetzt. Der systematische Ausschluss von Menschen von der ökonomischen Teilhabe hat sie in eine ideale Machtposition gebracht. Sie können jetzt eine Forderung nach der anderen stellen (erhöht unseren Gewinn! Passt eure Biografie den nötigen Bewerbungskriterien an!). Statt Gegenleistungen bieten zu müssen, stellen sich die Fordernden auf den Standpunkt: „Ihr müsst eure Lebenschancen schon selbst verbessern.“
Lorenz Jarass’ Hinweis, dass es um bedingungslose Selbstbereicherung geht, ist zutreffend. Dabei zeigt Jarass genau auf, wie das Ziel, um dessen willen die Unternehmensteuer gesenkt werden soll, als Argument benutzt und von vornherein unterbunden wird. Die Wirtschaftsverbände knüpfen bindende Forderungen (nach Steuersenkung) an die Vergabe vager Lebenschancen. Ihre Macht gründet sich auf den Entzug der ökonomischen Existenz. Auf dieser Grundlage können sie die Arbeitnehmer, den Staat und die Gesellschaft rückhaltlos für ihre Selbstbereicherung verantwortlich machen.
UTE BREITENBACH, Berlin