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Archiv-Artikel

So viel Kinderschutz war noch nie

Ein ganzes „Maßnahmenpaket“ in der Jugendhilfe stellte die Sozialsenatorin gestern vor. Die Finanzierung: Unklar

Von eib

Das amtliche Kinder-„Krisentelefon“ gibt es seit zwei Monaten – gestern kündigte Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) einen Krisendienst an, der die Notfälle besuchen soll. Am Tag der Krisenmeldung sollen zwei Fachkräfte einen Hausbesuch machen und entscheiden, welche Hilfe ein Kind braucht, ob es aus der Familie herausgenommen werden muss, so Rosenkötter. Außerhalb der Dienstzeiten solle diese Aufgabe von MitarbeiterInnen eines freien Trägers übernommen werden – der aber anders als Jugendamts-MitarbeiterInnen ein Kind nicht mitnehmen darf, sondern dafür erst die Polizei alarmieren, also eine Notrufnummer wählen muss.

Rosenkötter schlug außerdem eine personelle Verstärkung der Erziehungsberatungsstellen vor – und kündigte aufsuchende Arbeit in benachteiligten Stadtteilen an. Drei Mal sollen dort alle Kinder in ihrem ersten Lebensjahr besucht, ihre Eltern in Fragen von Gesundheits- und Erziehungsthemen beraten werden. Ein Viertel der Neugeborenen soll davon profitieren. Ob und in welchem Umfang die Vorschläge umgesetzt werden, entscheidet die Bürgerschaft. Sozialstaatsrat Joachim Schuster (SPD) rechnete vor, dass weitere 16 SozialarbeiterInnen und fünf Familien-Hebammen eingestellt werden müssten.

Kritik am Bremer Jugendhilfesystem äußerte gestern in einer Sondersitzung des Untersuchungsausschusses „Kevin“ der Leiter der Jugendhilfeeinrichtung Alten Eichen, Detlev Busche. Er mache die Erfahrung, dass Kinder und Jugendliche viel zu spät aus ihrer Familie herausgenommen würden. „Für die können wir oft nicht mehr viel tun.“ Statt rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, würde eine niedrigschwellige Maßnahme nach der anderen verordnet. Daran seien die freien Träger mit schuld. Eine Alternative sei sein Vertrag mit dem Amt, nach dem es möglich ist, für die Arbeit mit problematischen Familien eine bestimmte Summe für zwei Jahre zur Verfügung zu stellen. Davon kann ein Teil zurückgezahlt werden, wenn die Maßnahme früher beendet ist. „Das ist keine Erfolgsprämie“, verteidigte Heidemarie Rose von der Sozialsenatorin das Finanzierungsmodell. Es gehe nicht darum, eine Einrichtung dafür zu belohnen, dass sie eine Familie schnell abfertige. Vielmehr solle das wirtschaftliche Risiko des Trägers verringert werden. eib/epd