: Al-Qaida bekennt
AUS MADRID REINER WANDLER
Die Anschläge waren gut aufeinander abgestimmt. Um 10.45 Uhr Ortszeit explodierten in Algeriens Hauptstadt Algier mehrere Bomben. Ein mit Sprengstoff gefüllter Pkw durchbrach nach Angaben von Augenzeugen die Polizeiabsperrung des Amtssitzes von Ministerpräsident Abdelasis Belkhadem und explodierte dann. Dabei kamen nach Angaben des algerischen Zivilschutzes 23 Menschen ums Leben. 160 wurden teils schwer verletzt. Der zweite Anschlag galt dem Polizeikommissariat im Vorort Bab Ezzouar unweit des internationalen Flughafens von Algier. Nach Angaben von Anwohnern sollen drei Fahrzeuge gleichzeitig explodiert sein. Dabei sind acht Tote und 50 Verletzte zu beklagen. Nach Auskunft der Krankenhäuser sollen es insgesamt sogar 30 Tote und 110 Verletzte sein. Ministerpräsident Belkhadem, der nicht verletzt wurde, bezeichnete die Anschläge im algerischen Radio als „kriminelle und feige Taten, zu einem Zeitpunkt, an dem die algerische Bevölkerung die Aussöhnung will“.
Es waren die ersten Bombenanschläge nach mehreren Jahren in Algier. Die Innenstadt versank im Chaos. Panik machte sich breit. Das Gebiet um den Amtssitz von Belkhadem wurde weiträumig abgeriegelt. Die Bombe hinterließ ein riesiges Loch in der Fassade des sechs Stockwerke hohen Gebäudes. Die Wucht der Explosion zerstörte die Fensterscheiben im Umkreis von einem Kilometer. Ambulanzen rasten mit Blaulicht ohne Unterlass durch die Innenstadt. Bei den Toten und Verletzten handelt es sich hauptsächlich um Passanten. In Bab Ezzouar bot sich ein ähnliches Bild. Das angegriffene Polizeirevier liegt in der Nähe der Technischen Universität. Zur Tatzeit waren die Straßen stark belebt. Unter den Opfern befinden sich neben Polizisten auch zahlreiche Passanten.
Zu den Anschlägen hat sich „al-Qaida Maghreb“ bekannt. Dahinter stecken die Salafistischen Gruppen für Predigt und Kampf (GSPC), die das Angebot von Präsident Abdelasis Bouteflika, die Waffen niederzulegen und in die Zivilgesellschaft zurückzukehren, als Einzige ausgeschlagen haben. Die radikale Islamistengruppe hat stattdessen im Vorfeld der Parlamentswahlen im kommenden Mai ihre Aktionen schon seit einigen Wochen verstärkt. Immer wieder greift sie Polizeireviere, Armeeeinheiten und Angestellte ausländischer Erdölfirmen an. Die radikalen Islamisten wollen ein breites Netzwerk in Nordafrika aufbauen.
Die Algerier sollen in enger Verbindung zu Gruppen im benachbarten Marokko und auch Tunesien stehen. So nahm die algerische Armee bei ihren Aktionen gegen die GSPC immer wieder Marokkaner und auch Tunesier fest. Unter den Terroristen, die sich Ende Dezember und Anfang Januar unweit der tunesischen Hauptstadt Tunis zweimal ein Feuergefecht mit der Polizei lieferten, sollen Tunesier gewesen sein, die sich nach dem Ausbruch des Irakkrieges der GSPC angeschlossen haben.
Die GSPC unterhält drei größere Untergruppen. Eine ist in der Berberregion Kabylei östlich Algiers aktiv. Hier zündete die Organisation im Februar zeitgleich sieben Bomben. Dabei starben zwölf Menschen. Außerdem unterhält al-Qaida Maghreb einen Stützpunkt in den Bergen rund um Ain Defla im Westen des Landes. Hinzu kommt eine Gruppe in der Sahara unweit der Grenze zu Mali. Sie war 2003 für die Entführung von 32 Touristen verantwortlich, darunter 16 Deutschen.
Erst am Wochenende war es zu schweren Kämpfen zwischen der algerischen Armee und radikalen Islamisten in der Nähe von Ain Defla gekommen. Eine Patrouille wurde in einen Hinterhalt gelockt, neun Soldaten wurden getötet. Bei den anschließenden bewaffneten Auseinandersetzungen kamen mindestens acht Islamisten ums Leben. In der Kabylei durchkämmt die Armee seit knapp drei Wochen unwegsame Wälder und Berge.