: Von Berlin lernen heißt Ordnung lernen
Die Städtepartnerschaft mit Peking ist die aktivste aller Berliner Städtepartnerschaften. Ein Jahr vor der Olympiade in Peking lernen die Chinesen in der Partnerstadt das Einmaleins der Justiz- und Innenpolitik. Kritik gibt es nur verhalten
1988 nahm Ostberlin eine Städtepartnerschaft mit Peking auf, sechs Jahre später aktivierten die Stadtverwaltungen des wiedervereinigten Berlin und Peking den Vertrag. Nach einer Einschätzung der Senatskanzlei gilt die Städtepartnerschaft mit Peking heute als die aktivste aller 17 Berliner Städtepartnerschaften.
„Vor 18 Monaten habe ich begonnen, die Delegationen aus der Pekinger Stadtverwaltung zu zählen, die zu uns kommen“, sagt Jörg Tramm von der Senatskanzlei. Er zählte 50. Das Themenspektrum, zu dem die Pekinger Kontakte nach Berlin suchen, so Tramm, reiche „vom Sport über seniorengerechtes Wohnen bis zur die Lebensmittelüberwachung“. Eindeutiger Themenschwerpunkt sind jedoch die in China nicht getrennten Politikfelder Innere Sicherheit, Justiz und Polizei.
Seit 2001 kommen Pekinger Juristen und Polizisten zur Fortbildung nach Berlin, etwa zu Verwaltungs- und Verfassungsrecht, zu Drogenpolitik, Korruptionsbekämpfung und Umweltkriminalität. Aber auch Justizvollzug, Notarwesen, die Hundestaffeln der Polizei und der polizeiliche Schutz von sportlichen Großveranstaltungen stehen auf dem Programm.
Die Seminare sind in der Regel 14-tägig, die Chinesen tragen die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Dolmetscher selbst. Die Dozenten, viele stehen im Landesdienst, arbeiten ohne Honorar.
Innenstaatssekretär Ulrich Freise (SPD) weist mit Stolz darauf hin, dass das Sicherheitskonzept für die Olympischen Spiele 2008 in Peking mit Unterstützung der Berliner Polizei entstand. 17 Pekinger Polizisten haben in Berlin ein Jahr lang Deutsch gelernt und anschließend die polizeiliche Überwachung von Großveranstaltungen wie der Fußball-WM kennengelernt.
Diesen Monat reiste Freise wiederholt nach Peking, um mit dem dortigen Polizeipräsidenten über die Olympiade zu sprechen. Selbstverständlich werde bei solchen Gesprächen vorausgesetzt, so Freise, „dass unsere Sicherheitsbehörden in verschiedenen politischen Regimen aufgestellt sind. Aber wir sprechen darüber frei von Arroganz.“ Wenn man sich schon kennengelernt hat und Vertrauen entstanden sei, dann nehme man auch kein Blatt vor den Mund. „Mich hat erstaunt, mit welcher Offenheit die Pekinger Polizei über Korruption oder über die Todesstrafe diskutiert.“ Und wenn er mit Funktionären des Ministeriums für öffentliche Sicherheit über den Tiananmenplatz laufe, meint Freise, „finde ich auch geeignete Worte über das, was dort 1989 passiert ist“.
Lieber erläutert Freise den Chinesen aber die vielen kleinen Regeln der Polizeiarbeit: „Wann ziehen wir in Deutschland bei einer Festnahme einen Anwalt oder Richter hinzu? Warum ist die Polizeiausbildung nicht an Militärakademien angesiedelt? Wie arbeiten wir mit den Medien?“
Solche Dinge sind gefragt. Auch die Senatsverwaltung für Justiz registriert eine sprunghaft angestiegene Nachfrage nach Seminaren seit einem Jahr. „Die kommen aus ganz China“, sagt ein Sprecher. Die gute Qualität der Berliner Seminare habe sich weit über die Partnerstadt hinaus herumgesprochen.
MARINA MAI