aus für filbinger-messe : Zweifelhaftes Einlenken
Ja, Hans Filbinger wirkte als Wehrmachtsjurist an Todesurteilen gegen Deserteure mit. Ja, eilfertig diente er einem totalitären Regime. Nein, der einstige NS-Marinerichter war kein „Gegner des NS-Regimes“, wie Günther Oettinger behauptet hat. Ja, Filbinger hatte zeitlebens ein „pathologisch gutes Gewissen“, wie der SPD-Politiker Erhard Eppler einst urteilte. Das muss man vorausschicken, will man nicht in jene Falle geraten, in die Kardinal Sterzinsky getappt ist.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Die Medienhysterie um Oettingers Äußerungen haben zusammengezwungen, was so nicht zusammengehört. Der gestern abgesagte Gedenkgottesdienst sollte nicht verschweigen, welche Schuld Filbinger als NS-Marinerichter auf sich geladen hatte. Aber er sollte auch und vor allem feiern, dass ein Mensch einem anderen Menschen unter schwierigsten Bedingungen das Leben gerettet hat: Der Militärpfarrer Karl-Heinz Möbius entging nach heutigem Wissen der Vollstreckung der 1944 verhängten Todesstrafe, weil Filbinger sich für ihn einsetzte. Das Geschehen ist nur lückenhaft dokumentiert, doch Möbius selbst setzte sich nach dem Krieg für Filbinger ein. Möbius’ Darstellung ist nicht widerlegt worden.
Filbinger war also beides: ein NS-Anhänger mit „Herrenmenschen-Mentalität“, so der Historiker Wolfram Wette. Und ein Lebensretter. Ausdrücklich wollte die Hedwigsgemeinde in ihrer Messe auf beides eingehen. Im Medienrummel gehen solche Unterscheidungen jedoch unter. Übrig bleibt der falsche Eindruck: Die katholische Kirche will einen Nazi feiern. Indem Sterzinsky dem öffentlichen Druck nachgibt, gibt er dieser Deutung ungewollt recht.
Akzeptierten die Berufsempörer von heute die Widersprüche in Filbingers Leben, statt sie lautstark zu verdrängen, verlören seine Todesurteile nichts von ihrer Niedertracht. Im Gegenteil. Wenn Filbinger ungestraft Menschen retten konnte – warum tat er es nicht öfter?