Hartz IV als Fortbewegungsfessel

Sozialticket-Initiative sammelt weiter Unterschriften: Mobilitätsschere geht besonders für Jugendliche auseinander

Die Initiative für ein ÖPNV-„Sozialticket“ sieht sich „gut im Rennen“: Ein gutes Viertel der für einen „Bürgerantrag“ benötigten 9.500 Unterschriften sei gesammelt, sagt Initiativen-Sprechern Inga Nitz, in gleicher Funktion für „Die Linke“ tätig. Die starke Präsenz der Partei hält Politiker wie Wolfgang Grotheer, sozialpolitischer Sprecher der SPD, allerdings davon ab, ebenfalls zugunsten des anvisierten 15 Euro-Monatstickets für Finanzschwache zu unterschreiben.

Bei der CDU ist die Problemlage eine andere: Deren sozialpolitischer Sprecher Karl-Uwe Oppermann sagt, das Engagement der „Linken“ schrecke ihn nicht ab. Angesichts eines Hartz IV-Mobilitäts-Satzes von 18,11 Euro monatlich hält er das Sozialticket insbesondere für „sinnvoll“, um Arbeitssuchenden den Weg zu Bewerbungsgesprächen zu ermöglichen. Nur: kosten dürfe es nichts. Die Initiative selbst geht zwar davon aus, dass die Straßenbahn mit einem solchen Angebot viele NeukundInnen gewinnt, die Stadt aber zuzahlen muss. Denn die BSAG dürfe „durch diese Regelung keine Einbußen“ erfahren, heißt es im Bürgerantrag, der – wenn mindestens zwei Prozent aller über 16-jährigen BremerInnen unterschreiben – direkt ins Parlament kommt. Die BSAG selbst rechnet nach Angaben ihre Sprechers Jürgen Lemmermann mit Mindereinnahmen von bis zu vier Millionen Euro. Auch ein Sozialpreis von 28 Euro, wie er zurzeit in der Ampelkoalition in Bremen diskutiert wurde, führt ihm zufolge noch zu 1,6 Millionen Euro Mehrkosten.

Lemmermann verweist darauf, dass die Monatskarte in Bremen mit 34,20 Euro (im Abo Preisstufe I) im Vergleich zu anderen Städten „sehr günstig“ sei und auch die Kindermitnahme nach 19 Uhr beinhalte. Für drei Euro mehr dürfe man bis zu vier Kinder und einen Erwachsenen auch an Wochenenden mitnehmen. Dass Kinder keine „Kurzstrecke“ lösen können, liege am „sehr niedrigen personenunabhängigen Normalpreis“ von 80 Cent pro Strecke (Viererpaket). Nach Hartz IV-Regelsatz können sich Kinder im ÖPNV damit sechsmal im Monat im Kurzstreckenradius hin- und zurückbewegen. Das normale „Einzelticket Kind“ kostet seit Januar 1,05 Euro. Bei der BSAG ist man ab dem sechsten Geburtstag zahlungspflichtig.

Für Jugendliche geht die Mobilitätsschere noch weiter auseinander: Denn während ab 14 Jahren bei der BSAG der Erwachsenentarif gilt, gibt es bei Hartz IV zwar eine Leistungsaufstockung ab 15 Jahre – dann aber bleibt man bis zum 25. Lebensjahr als in einer „Bedarfsgemeinschaft“ lebendes Familienmitglied auf diesem Satz hängen.

Die BSAG sieht ihrerseits „keine Spielräume“. Das Unternehmen – obwohl zu 99 Prozent in städtischem Besitz – befinde sich zunehmend in einer politisch gewollten privatwirtschaftlichen Konkurrenzsituation. Vor dem Hintergrund verringerter Zuschüsse und gestiegener Energiekosten seien die Tarifsteigerungen von Anfang des Jahres mit zwei bis fünf Prozent „etwas höher als normal“ ausgefallen, sagt Lemmermann. „Aus unserer Sicht sind sie jedoch verträglich.“ Henning Bleyl