prognoseunterricht : Zu frühe Auswahl
Als die schwarz-gelbe Landesregierung Ende 2005 den Prognoseunterricht vorstellte, war das Geschrei bei den Eltern noch groß: Niemand außer ihnen könne beurteilen, welche Schulform für das Kind gut sei. Inzwischen sind diese Stimmen leiser geworden. Wie Studien zeigen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Kinder die weiterführende Schule verlassen müssen, wenn ihre Eltern diese für sie aussuchen, als wenn das die LehrerInnen tun. Doch von Chancengleichheit kann trotzdem keine Rede sein: Auch LehrerInnen machen ihre Empfehlung davon abhängig, ob die Eltern des Kindes Ärzte sind oder Reinigungskräfte. Außerdem kann nicht gleichen Möglichkeiten gesprochen werden, wenn Eltern Gymnasialempfehlungen weiterhin ignorieren dürfen, weil sie es nicht für nötig halten, dass ihr Kind Abitur macht.
KOMMENTAR VON NATALIE WIESMANN
Das Hauptursache der ungleichen Chancen im Bildungssystem ist aber – Prognoseunterricht hin- oder her – weiterhin die frühe Sortierung der Kinder. Es sollte weder der Wille der Eltern noch der Wille der LehrerInnen sein, der über die Laufbahn der SchülerInnen bestimmt. Vielmehr müssten Jugendliche im späteren Alter selbst darüber entscheiden können, ob ihnen zehn Jahre Schule reichen oder sie bereit sind für ein Studium bis zum Abitur zu gehen. Eltern, die die Verantwortung in die Hände ihres Nachwuchses legen, entscheiden deshalb oft, ihre Kinder auf die Gesamtschule zu schicken. Nicht von ungefähr sind die Gesamtschulen in NRW überlaufen. Viele Kommunen überlegen etwa Hauptschulen zu Gesamtschulen umzuwidmen, weil niemand mehr sein Kind dorthin schicken will.
Doch eine richtige Mischung kann es auf der Gesamtschule nicht geben, solange das Gymnasium weiter existiert. Statt in Prognoseunterricht sollte die Landesregierung in Modellprojekten eine „Schule für alle“ proben – mit weit mehr LehrerInnen als bisher.