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Archiv-Artikel

Forscher sollen Kohle machen

Universitäten und Wirtschaft wollen sich stärker auf sogenannte Zukunftsbereiche konzentrieren. Außerdem sollen sich Berliner Forscher viel mehr an den Bedürfnissen des Marktes orientieren

VON RICHARD ROTHER

Berlin soll sich deutlicher als bisher auf seine Stärken in Wirtschaft und Wissenschaft konzentrieren. Erstmals haben sich Experten aus Unis, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft darauf geeinigt, welche Bereiche zu den besonders aussichtsreichen und daher förderwürdigen gehören. Zudem will die Berliner Wissenschaftskommission Ortsteile, in denen zukunftsfähige Projekte liegen, besonders fördern. Durch Fokussierung auf seine Stärken habe Berlin die Chance, in ausgewählten Bereichen dauerhaft der Motor für Innovation zu sein, sagte gestern der stellvertretende Vorsitzende der Kommission und Präsident der Technischen Fachhochschule (TFH), Reinhard Thümer. Die Einigung sei ein Durchbruch.

Zu den besonders förderungswürdigen Zukunftsfeldern gehören nach Ansicht der Experten die sogenannten Lebenswissenschaften, die ihren Schwerpunkt in nördlichen Altbezirk Mitte haben sollen. Weitere Zukunftsfelder sind Logistik und Verkehr, Kultur und Medien sowie die Optik und bestimmte Bereiche der Geisteswissenschaften, die sich auch zu einer Denkfabrik für Bundesbehörden entwickeln sollen. „Institute, die in fußläufiger Entfernung zum Auswärtigen Amt liegen, müssen ihre Kompetenzen mehr der Politik anbieten“, hieß es. Insgesamt solle sich die Wissenschaft mehr auf solche Forschungen konzentrieren, die in Politik und Wirtschaft gefragt seien. Im Umkehrschluss dürfte dies bedeuten, dass es Forscher, die nicht diesen Kriterien entsprechen oder in diesen Bereichen arbeiten, künftig schwerer haben dürften, ihre Projekte zu entwickeln.

Ähnliches dürfte für die Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorte gelten, die nicht in den als förderungswürdig genannten Gebieten liegen. Bevorzugte Gebiete sollen sein: Mitte Nord, Adlershof, Buch, Charlottenburg und Dahlem. Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) bezeichnete die Empfehlungen der Kommission als erfreulich.

Darüber hinaus schlägt die Kommission konkrete Projekte vor, mit denen der Wissenschaftsstandort Berlin international an Strahlkraft gewinnen soll. So wollen die Experten ein Berliner Weltkulturforum entwickeln, das ähnlich wie das jährlich stattfindende Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos funktionieren soll. Konkrete Vorstellungen, wie ein solches Vorhaben organisiert und finanziert werden soll, gibt es allerdings noch nicht.

Derzeit arbeiten rund 34.000 Menschen in den Berliner Wissenschaftseinrichtungen. Diese würden rund 400 Millionen Euro jährlich einwerben, so TFH-Präsident Thümer. Die Berliner müssten allerdings noch mehr nach außen gehen und für sich werben. Schluss sein müsse mit der Berliner Mentalität: „Nich jemeckert is jenuch jelobt.“