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Archiv-Artikel

„Dumme Parolen“

VORTRAG Über den Gaza-Krieg und die Arbeit im Westjordanland berichtet René Wildangel

René Wildangel

■ 41, leitet das Ramallah-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung. Er hat in Köln, Jerusalem und Damaskus Geschichte studiert.

taz: Herr Wildangel, Sie fordern das Ende der israelischen Blockade Gazas. Wie soll das Frieden schaffen?

René Wildangel: Die Blockade hat nun über fast ein Jahrzehnt die Entwicklung Gazas behindert. Auf dem See- und Landweg kommen keine Hilfsgüter rein und die palästinensische Wirtschaft kann auch nichts exportieren. Die ökonomische und soziale Situation wird so massiv verschärft. Und vor diesem humanitären Desaster sind Wiederaufbau und langfristige Entwicklung nicht möglich.

Verhindert die Blockade nicht, dass Waffen und Terroristen über die Grenze gelangen?

Das ist das zentrale Argument Israels – und Waffenlieferungen zu verhindern, ist auch ein legitimes Ziel. Dazu braucht es aber keine Blockade, sondern internationale Beobachter mit entsprechender Technik an den Grenzübergängen. Das gab es früher bereits und man könnte es wiederbeleben, wenn der politische Druck da wäre. Stattdessen bestraft die israelische Regierung die gesamte Bevölkerung Gazas.

Sie haben einen Aufruf von Nahost-Experten mitgetragen, der die Bundesregierung auffordert, sich für ein Ende der Blockade einzusetzen. Warum kommt der palästinensische Raketenbeschuss auf Israel nicht darin vor?

Der Aufruf behauptet nicht, dass die Hamas keine problematische Gruppe sei und verurteilt die Gewalt auf beiden Seiten. Er wurde aus der Perspektive von Menschen geschrieben, die vor Ort arbeiten und die Situation daher sehr gut kennen. Die wollten auf die Folgen des israelischen Bombardements für die Zivilbevölkerung hinweisen, für die auch klar die Verantwortung benannt werden muss. Es geht um die Zerstörung von zivilen Strukturen, die Langzeitfolgen hat.

Aber bestärkt eine Darstellung ohne die Rakten nicht antisemitische Ressentiments?

Antisemitismus ist eine reale Gefahr und es hat ja auch Demonstrationen gegeben, auf denen dumme, judenfeindliche Parolen gerufen wurden. Man muss aber erst mal sagen, was Antisemitismus überhaupt ist: ein rassistisches Stereotyp, das sich gegen Menschen jüdischer Herkunft richtet. Das ist etwas völlig anderes, als eine rechte israelische Regierung zu kritisieren, die ihrerseits Hass mit ihrer Politik schürt. Es ist falsch, das zu vermischen. INTERVIEW: JAN-PAUL KOOPMANN

19.30 Uhr, Überseemuseum