„Metalldetektoren helfen nicht“

Nach dem Amoklauf von Blacksburg denken auch Schulexperten in Nordrhein-Westfalen über eine bessere Prävention von Gewalttaten nach. Der Bochumer Schulpsychologe Ulrich König wirbt für eine „Kultur des totalen Respekts“

ULRICH KÖNIG, 55, ist stellvertretender Vorsitzender beim Landesverband Schulpsychologie NRW.

taz: Herr König, woran erkennt man einen Amokläufer?

Ulrich König: Es gibt keine absolut verlässliche Typologie, die man wie ein Raster abhaken könnte. Aber es gibt natürlich eine Art von Krisenanalyse. Da werden bestimmte Gefährdungsmomente zusammengetragen. Das ist wichtig, um weitere Handlungsschritte zu unternehmen.

Können Sie ein paar nennen?

Ein Kriterium ist sicherlich die Affinität zu Waffen oder die Erfahrung damit. Oft handelt es sich auch um Kinder oder Jugendliche, die keinen Kontakt mehr zur Erwachsenenwelt haben. Aber nochmal: Das sind keine Rasteranalysen für Gefährdungen. Man kann nicht im Umkehrschluss davon ausgehen, dass jemand mit Risikopotenzial auch eine Gewalttat begeht.

Wenn es keinen typischen Amokläufer gibt: Wie wappnen sich die Schulen in NRW dann?

Es gibt mittlerweile ein hohes Bewusststein für die Gefahr. Auch die Vernetzung ist besser geworden, zum Beispiel zwischen Polizei, Lehrkräften und Schulpsychologen. Die Schulen in NRW geben sich viel Mühe, ein gutes Klima zu erzeugen.

Wie geht das?

Wir müssen eine Kultur des Hinschauens entwickeln – und das nicht nur in der Schule. Wir brauchen wie in den skandinavischen Ländern eine Kultur des „totalen Respekts“. In Schulen müssen Menschenwürde und Menschenrechte ernst genommen und soziale Beziehungen so gestaltet werden, dass ein höchstmögliches Klima an Vertrauen entsteht. Besonders wichtig ist die gegenseitige Achtung. Und wir müssen gegen Abwertungstendenzen vorgehen. Das ist allerdings auch noch keine Garantie dafür, dass Gewalttaten verhindert werden.

Wenn sich ein Lehrer konkret Sorgen macht um einen Schüler: Wie helfen Sie ihm weiter?

Dann muss ein Monitoring mit Eltern, Lehrern und allen Beteiligten stattfinden. Wir setzen uns zusammen, sammeln Informationen, sprechen mit dem Schüler und überlegen über mögliche weitere Schritte.

Schulministerin Sommer hat nach dem Amoklauf in Emsdetten angekündigt, mindestens 50 zusätzliche Schulpsychologen einstellen zu wollen. Ist das geschehen?

Der letzte Stand ist mir nicht bekannt, ich gehe aber davon aus, dass neue Stellen vorgesehen sind und freue mich darüber.

Reicht das?

Es kommt darauf an, woran man sich orientiert. Wenn man skandinavische Zahlen nimmt, muss Deutschland noch viel aufholen. Aber das, was jetzt passiert, geht in die richtige Richtung.

Psychologen werden vorwiegend an Brennpunktschulen eingesetzt. Amokläufer kommen aber durchaus aus der Mittelschicht.

Schulpsychologen arbeiten grundsätzlich mit allen Schulen zusammen. Es ist zwar sicher so, dass das Gefährdungspotenzial an verschiedenen Schulen unterschiedlich hoch ist. Aber die Eingrenzung auf Brennpunktschulen scheint mir zu eng.

...weil in Emsdetten eine Realschule und in Erfurt ein Gymnasium betroffen war?

Wenn man sich die Vorfälle aus den USA und auch Deutschland betrachtet, kann man den Eindruck haben, dass die Amokläufer durchaus aus der Mittelschicht kommen. Auch die Schulen an denen sie waren, sind bisher noch nie auffällig gewesen.

Was könnte konkret helfen? Etwa Metalldetektoren am Schuleingang?

Nein, dadurch ist keine absolute Sicherheit zu erreichen, dafür brauchen sie sich nur die amerikanischen Schulen anzuschauen. Ich finde, wir sollten über andere Dinge stärker nachdenken, die mit Vernetzung zu tun haben.

INTERVIEW: GUNDA BUSLEY