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Archiv-Artikel

Hochamt für Schüssel

In Österreich wechselt die konservative ÖVP ihre Führung aus. Das ist eine Konsequenz aus der verlorenen Wahl

WIEN taz ■ Tränenreich und mit viel Weihrauch wurde Samstag auf dem Parteitag der ÖVP im österreichischen Salzburg die Übergabe von Wolfgang Schüssel an Finanzminister und Vizekanzler Wilhelm Molterer zelebriert. Man bemühte sich, Aufbruchstimmung zu signalisieren, um die christlich-soziale Partei wieder zur stärksten politischen Kraft zu machen.

Zwölf Jahre war Schüssel Parteichef gewesen – länger als jeder seiner Vorgänger. Und er hätte den Stab sicher noch nicht weitergegeben, wenn er die Wahlen im vergangenen Oktober nicht verloren hätte. Dennoch geriet die Veranstaltung zu einem Hochamt für den scheidenden Obmann, der nach 30-jähriger Durststrecke der ÖVP das Kanzleramt zurückerobert hatte. So vernahm man denn auch kein Wort der Selbstkritik über die vergangenen Jahre, als man sich an FPÖ und BZÖ gekettet hatte, um zu regieren. Vielmehr klagten beide in ihren Ansprachen voll Bitterkeit über ihren derzeitigen Partner SPÖ.

Die Frage ist, ob sich Molterer aus dem Schatten seines Vorgängers lösen kann und die Partei öffnen wird. Denn das Beharren auf allzu konservativen Positionen hat ebenso Stimmen gekostet, wie der komplett auf die Person Schüssels ausgerichtete Wahlkampf.

Molterer versuchte durch die Auswahl seiner vier StellvertreterInnen zumindest Signale zu setzen. Die unkonventionelle Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky soll er gegen Schüssels Wunschkandidatin, Außenministerin Ursula Plassnik, durchgedrückt haben. Doch wenn von einzelnen Parteifunktionären Reformen zugunsten gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder eine Liberalisierung des Fremdenrechts gefordert wird, steht Molterer auf der Bremse. Inhaltliche Diskussionen wurden auf einen Sonderparteitag im kommenden Herbst verschoben. RALF LEONHARD