Zwei Wochen Kopfzerbrechen

Für die Stichwahlen am 6. Mai ist Innenminister Sarkozy der rechnerische Favorit. Doch die Linke Ségolène Royal hat die Sympathien auf ihrer Seite

Gestern wurde das vorläufige amtliche Endergebnis der Wahl bekanntgegeben, in dem nun auch die Stimmen der rund 820.000 wahlberechtigten Franzosen im Ausland enthalten sind. Die Wahlbeteiligung war die dritthöchste in einer ersten Runde seit Einführung der Direktwahl des französischen Präsidenten 1965. Wahlberechtigte: 44.472.867 Wähler: 37.255.846 gültige Stimmen: 36.723.900 Wahlbeteiligung: 83,77 % Nicolas Sarkozy (UMP, Konservative): 11.450.011; 31,18 % Ségolène Royal (PS, Sozialisten): 9.501.214; 25,87 % François Bayrou (UDF, Liberale): 6.820.882; 18,57 % Jean-Marie Le Pen (FN, Rechtsextreme): 3.834.996; 10,44 % Olivier Besancenot (LCR, Trotzkisten): 1.498.780; 4,08 % Philippe de Villiers (MPF, Nationale): 818.645; 2,23 % Marie-George Buffet (PCF, Kommunisten): 707.294; 1,93 % Dominique Voynet (Grüne): 576.740; 1,57 % Arlette Laguiller (LO, Trotzkisten): 487.940; 1,33 % José Bové (Globalisierungskritiker): 483.062; 1,32 % Frédéric Nihous (CNPT, Jäger): 420.759; 1,15 % Gérard Schivardi (PT, Arbeiterpartei): 123.577; 0,34 % AFP

AUS PARIS REINOLF REIS

Das große Duell findet statt, und für Millionen Franzosen hat das Kopfzerbrechen begonnen: Sollen sie den Konservativen Nicolas Sarkozy zum Nachfolger von Jacques Chirac als Staatsoberhaupt wählen – oder die Sozialistin Ségolène Royal? Immerhin 43 Prozent haben in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag für keinen der beiden Spitzenreiter gestimmt. Bis zur Stichwahl am 6. Mai wird nun um jede ihrer Stimmen gerungen. Die Debatte verspricht heiß zu werden. Vieles spricht dafür, dass es eher um Personen gehen wird als um Programme. Sarkozy ist Favorit, doch „die Partie ist noch nicht gelaufen“, sagt nicht nur sein Parteifreund, Expremier Alain Juppé.

Mit ausgebreiteten Armen posierten sowohl Sarkozy als auch Royal in der Euphorie des Wahlabends. Beide gaben sich vor ihren jubelnden Anhängern staatstragend. Wessen Umarmungstaktik am besten verfängt, ist erst mal offen. Erste Umfragen sagen Sarkozys Sieg voraus. „Wenn man die Rechtsextremen, die Rechten und die Hälfte des Zentrums zusammenzählt, ist Sarkozy in einer äußerst komfortablen Lage“, stellt Analyst Dominique Moïsi fest.

Die gescheiterten Linkskandidaten stehen hinter Royal. Doch mit zusammengerechnet 38 Prozent ist ihr Lager schwach wie selten. Royal hat indes einen wichtigen Vorteil: Wird gefragt, welches Staatsoberhaupt die Franzosen sich wünschen, kommt sie zwar ebenso wenig auf eine Mehrheit wie Sarkozy. Aber anders als der Konservative hat sie zumindest keine Mehrheit gegen sich, und bei den Befürwortern lag sie zuletzt mit 35 Prozent 5 Prozentpunkte vor ihm.

Der 6. Mai könnte zum „Referendum für oder gegen Sarkozy“ werden, sagt der Chef des Meinungsforschungsinstituts CSA, Roland Cayrol. Der 52-Jährige habe Stärken, aber seine Persönlichkeit sei für viele ein „Problem“. Dabei beeinflusse gerade die Persönlichkeit die Wahl der Franzosen außerordentlich. Politikforscher Dominique Reynié betont, noch nie habe ein potenzieller Präsident „so viel Hass und Ablehnung“ auf sich gezogen wie Sarkozy.

Dazu trug bei, dass Nicolas Sarkozy bewusst eine Rechtsaußenstrategie fuhr. Der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen verlor im Vergleich zu 2002 fast 1 Million Wähler. Nun muss Sarkozy einen Spagat vollbringen. Um zu gewinnen, muss er die übrigen 3,8 Millionen Le-Pen-Stimmen hinter sich bringen, zugleich aber möglichst viele Wähler des Drittplatzierten liberal-konservativen François Bayrou auf sich vereinen. Wegen seiner harten Linie gegenüber Kriminellen, Einwanderern und vor allem die Vorstadtjugend hat der Exinnenminister Sarkozy auch unter diesen erbitterte Gegner. „Viele Wähler, die sich für François Bayrou ausgesprochen haben, wollten Nicolas Sarkozy schlagen“, sagt Sozialistenchef François Hollande.

Der Chef der liberalen Zentrumspartei UDF hätte laut Umfragen Sarkozy im Stechen besiegt. Nun ist er mit gut 18 Prozent der Stimmen zum „Königsmacher“ geworden. Viele wollten offenbar mit ihm die Links-rechts-Spaltung überwinden. Laut BVA-Wahlforschern wollen 45 Prozent der Bayrou-Wähler – also gut 8 Prozent der Gesamtwähler – für Royal stimmen und 34 Prozent – etwa 6 Prozent der Gesamtwähler – für Sarkozy. Bayrou will sich am Mittwoch äußern.

Ségolène Royal polarisiert weniger als Sarkozy. Die 53-Jährige geht allerdings vielen auf die Nerven, weil sie oft oberlehrerhaft auftritt und missionarischen Eifer an den Tag legt. Sarkozys rednerisches Talent hat sie nicht. „Jeder Linke ist während dieses Wahlkampfs mindestens einmal Ségo-Gegner gewesen“, notiert die linke Journalistin Florence Aubenas.

Als Höhepunkt des Duells Sarkozy – Royal zeichnet sich eine für den 2. Mai geplante TV-Debatte ab. Der Konservative forderte eine „würdevolle Debatte“ über Gesellschaftssysteme. Er fürchtet wohl eine Schlammschlacht. Le Pen hatte bereits offen auf angebliche Eheprobleme Sarkozys angespielt. AFP