Der liebe Wolf ist wieder da

Erstmals seit 1820 wurde in Schleswig-Holstein wieder ein Wolf gesichtet – allerdings tot. Junger Rüde in Ostholstein überfahren. Gen-Test soll nun klären, woher er stammt. NABU fordert ein länderübergreifendes Wolfsmanagement

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Wölfe sind zurück in Schleswig-Holstein. Ein junger Rüde wurde gestern in der Nähe des Ostseebades Haffkrug in Ostholstein von einem Auto überfahren. Nach einer ersten Untersuchung am Zoologischen Institut der Universität Kiel bestätigte die Tierärztin Dorit Feddersen-Petersen: „Es ist ein Wolf.“

Danach handelt es sich um ein gesundes, etwa einjähriges Jungtier, das mit 38 Kilogramm Gewicht als gut genährt gelten kann. Im Magen wurden Überreste von Kaninchen und anderen Kleinsäugern nachgewiesen. Parasiten im Fell deuten darauf hin, dass der Wolf schon längere Zeit unterwegs gewesen sein muss. Da er nicht gechipt ist, gilt als sicher, dass er nicht aus einem Zoo oder Wildgehege entlaufen ist. Zudem wurde bislang kein Wolf als vermisst gemeldet.

Das für Artenschutz zuständige Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Kiel wollte gestern noch keine Stellungnahme abgeben. Das sei ja „eine neue Situation“, konstatierte Sprecherin Christiane Conrad. Zudem ist unklar, ob das überfahrene Tier ein Einzelgänger war oder ob ein Rudel dort lebt. Wenn tatsächlich Wölfe im Land sein sollten, bestätigte Conrad, „sind sie nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt“. Gejagt werden dürften sie nicht.

Über eine „gute Nachricht“ freute sich der Chef des Naturschutzbundes (NABU) Schleswig-Holstein, Hermann Schultz. Er hofft auf eine Wiederansiedlung der Wölfe, zum Beispiel in großen Schutzgebieten wie dem Sachsenwald östlich von Hamburg. Dazu müssten die nord- und ostdeutschen Bundesländer ein „Wolfsmanagement“ entwickeln: „Wir brauchen Pläne, die das Zusammenleben von Mensch und Wolf regeln.“ Wichtig seien sichere Wanderrouten für Wölfe, aber auch für andere große Wildtiere wie Luchs und Fischotter, so Schulz.

In Schleswig-Holstein wurde der letzte Wolf 1820 in der Nähe von Neumünster erlegt. Jüngste Meldungen über Wölfe im Norden sind bislang unbestätigt geblieben. Im östlichen Niedersachsen sollen mehrfach Tiere gesichtet worden sein, ebenso in der Lübtheener Heide im südmecklenburgischen Landkreis Ludwigslust. Gesicherte Nachweise dafür gibt es aber nicht.

Nicht weit von Lübtheen wurden vor drei Wochen auf dem niedersächsischen Nordufer der Elbe bei Laave im Naturpark Mecklenburgisches Elbetal mehrere gerissene Schafe entdeckt. Pfotenabdrücke am Ufer des Flüsschens Rögnitz deuteten auf Wolfspfoten hin. Experten des Naturschutzdienstes suchten bislang erfolglos nach frischen Kotproben, um mit einem Gen-Test Gewissheit zu bekommen (taz berichtete).

Eine genetische Untersuchung soll nun Aufschluss darüber geben, woher der junge Wolf aus Ostholstein stammt. Im sächsischen Görlitz wird eine Gewebeprobe mit genetischem Material der dort lebenden Wölfe verglichen. Die Ergebnisse sollen in etwa vier Wochen vorliegen.

In der Oberlausitz an der Grenze zu Polen leben auf ehemaligen Truppenübungsplätzen zwei Rudel mit je etwa 20 Tieren. Experten halten es für wahrscheinlich, dass das an der Ostsee überfahrene Tier von dort kommt. Mehrfach seien bereits junge Rüden auf die Suche nach eigenen Revieren gegangen, bestätigt die dortige Wildbiologin Gesa Kluth: „Wandernde Jungwölfe werden über kurz oder lang in fast allen Bundesländern ein Thema sein“, sagt sie voraus.

Kein Thema werden sie auch im Norden für besorgte Gemüter werden. Wölfe sind extrem scheu und gehen Menschen weiträumig aus dem Weg. Alles andere sind Gräuelmärchen.