american pie : Lehrling und Meister
Don Nelson, der Coach der Golden State Warriors, verwirrt mit kühnen Manövern Dirk Nowotzki – und mit ihm die Dallas Mavericks
In Dallas ist man noch guter Dinge. Eine Niederlage zum Einstieg in die Playoffs für die hochfavorisierten Mavericks gegen die Golden State Warriors? Ein Star Dirk Nowitzki in einer seit einem Monat andauernden Formschwäche? Ein Trainer Avery Johnson, der sich von seinem Lehrmeister Don Nelson austricksen lässt? „Absolut kein Grund zur Panik“, teilt die Dallas Morning News ihren Lesern fast schon beschwörend vor dem heute Nacht anstehenden zweiten Spiel gegen den Außenseiter aus Oakland mit. Tatsächlich aber macht sich ein wenig Nervosität breit.
Die Mavericks waren zwar die gesamte Saison lang das mit Abstand beste Team der NBA, aber gegen die Warriors können sie einfach nicht gewinnen. Die 85:97-Niederlage vom Sonntag war bereits die sechste hintereinander – gegen ein Team, das sich in letzter Sekunde für die Playoffs hatte qualifizieren können. Fast ebenso lang steht die Teilnahme der Mavericks an der Meisterschaftsrunde fest, und seitdem scheint Nowitzki den Rhythmus verloren zu haben.
Längst versenkt er seine Würfe nicht mehr so sicher wie in den ersten Monaten der Saison. Im April kam er nur noch auf knapp 46 Prozent aus dem Feld und sammelte dabei nur 19,8 Punkte, das ist deutlich unter seinen sonstigen Durchschnittswerten. „Es ist ja offensichtlich, der Druck liegt nur auf uns“, sinnierte der 28-Jährige.
Zudem treffen die Mavericks mit den Warriors ausgerechnet auf die Mannschaft, deren Trainer Nowitzki so gut kennt wie kaum ein anderer. Don Nelson war es, der den Würzburger vor neun Jahren in die NBA holte und ihn zu dem Spieler formte, der er heute ist. Eine große Schwäche aber hat Nowitzki noch immer: Der Deutsche hat Probleme, wenn er von kleinen, schnellen Guards verteidigt wird, traut sich aber auch oft nicht, einfach über sie hinweg zu werfen. Also schickte Nelson im ersten Aufeinandertreffen fast nur halbwüchsige Warriors aufs Feld, die Nowitzki bei jeder Ballberührung umschwirrten. „Die kommen aus allen Richtungen“, klagte der Deutsche anschließend, „von hinten, von vorne.“ Mit Erfolg: Nowitzki traf nur 4 von 16 Würfen aus dem Feld.
Grund zur Sorge sehen Kommentatoren wie Charles Barkley allerdings vor allem darin, dass Avery Johnson zum ersten Mal in dieser Spielzeit in der Startformation den sonst als Forward eingesetzten Nowitzki als Center auflaufen ließ. Seine anderen langen Leute brachte der Mavericks-Coach nur sporadisch ins Spiel. Indem er auf eine kleinere Aufstellung zurückgriff, gab Johnson indirekt zu, dass ihn sein Gegenüber nervös machte: Denn der 66-jährige Nelson ist berühmt für seine verwegenen taktischen Spielchen. Die aber sollte niemand so gut kennen wie Johnson. Schließlich war es Nelson, der ihn als seinen Nachfolger bei den Mavericks ausbildete. „Er weiß, was ich tun werde“, grinste ein siegreicher Nelson, „aber ich weiß nicht, was er tun wird.“
Das war auch schon vor dem ersten Spiel so, aber trotzdem hatte der Altmeister seinem Schüler eine Lehrstunde erteilen können. Heute muss der Lehrling beginnen, aus dem Schatten seines Vorgängers zu treten. Für Hoffnung sorgt eine andere Statistik: Unter Johnson hat Dallas fast jede Playoff-Serie auf dem falschen Bein begonnen. Fünf Mal starteten sie mit einer Niederlage und entschieden dann doch noch vier dieser Serien für sich. Man ist also weiter guter Dinge in Dallas. THOMAS WINKLER