: Wer wirft den ersten Stein?
Die Veranstalter stellten ihr inhaltliches Konzept zur Großdemo gegen den G-8-Gipfel vor. Die Journalisten aber interessiert nur ein Thema: ob es Ausschreitungen geben wird. Die Veranstalter weisen solche Befürchtungen von sich
BERLIN taz ■ Eigentlich wollte gestern ein breites Bündnis die Inhalte der internationalen Großdemonstration gegen den G-8-Gipfel am 2. Juni in Rostock vorstellen. Wirkliches Interesse aber fand auf einer Pressekonferenz in Berlin nur ein Thema: Werden die Proteste in Gewalt ersticken?
Vor allem die Äußerung der „Interventionistischen Linken“ – einer bundesweiten Zusammenschlusses linksradikaler Gruppen und Einzelpersonen – erhitzte die Gemüter. Deren Sprecher, Benjamin Laumeyer, erklärte, dass das linksradikale Bündnis „alle Aktionsformen prinzipiell begrüßt und sich von keiner distanziert“ – also auch gewalttätige.
In der Tat ist das Protestbündnis – so Werner Rätz von Attac – „so breit gefächert wie niemals zuvor bei Gipfelprotesten“. Er fände es richtig, radikale Linke in die Demo-Organisation einzubinden. Auf diese Weise seien Gewalttaten eher zu verhindern.
Genau das aber bezweifelten die anwesenden Journalisten. Die Gewaltfrage beherrschte die Veranstaltung – und ließ inhaltliche Aspekte der Proteste in den Hintergrund rücken. So mühte sich Karsten Smid beinahe erfolglos, Ziele der Demonstration zu vermitteln. Ein vor einigen Tagen an Greenpeace durchgesickertes Arbeitspapier der G-8-Staaten belegt laut Smid, dass beim Gipfeltreffen „erneut keine effektiven Maßnahmen gegen den Klimawandel“ beschlossen werden sollen. Smid erklärte, dass ein „wirksamer Klimaschutz ohne eine radikale Umstrukturierung des Energiesektors nicht denkbar ist“. In diesem Punkt sind Greenpeace und Interventionistische Linke für Smid „inhaltlich nicht weit voneinander entfernt“.
Die Veranstalter hoffen, dass rund 100.000 Menschen zu der Kundgebung anreisen werden. Ein Großteil soll dabei aus der Region zwischen Hamburg, Hannover und Berlin kommen. Insgesamt drei Sonderzüge aus Basel, Salzburg und Bonn sind bisher bestätigt, zusätzlich gebe es „starke Mobilisierungen“ in den Anrainerstaaten. Per Fähre sollen gut 1.000 Menschen aus Dänemark nach Rostock kommen. Noch lässt sich nicht absehen, wie groß das Interesse an der Veranstaltung wirklich sein wird.
Auf einem Konzert werden nach der Demonstration Bands aus Deutschland und dem Ausland spielen. Bisher zugesagt haben unter anderem Jan Delay, Chumbawamba und Kettcar, wie eine Sprecherin des Kulturprogramms „Move against G8“ erläuterte. „Wir verstehen das Konzert als Teil der Mobilisierung gegen den Gipfel.“ Man wolle „den G-8-Staaten nicht die Möglichkeit geben, sich mit einem eigenen Kulturprogramm zu inszenieren.“
Was den friedlichen Verlauf der Demonstration betrifft, gibt es laut Rätz „klare politische Absprachen“ zwischen allen Gruppen aus dem Demo-Bündnis. Auch für Laumeyer stand fest, dass es am 2. Juni in Rostock eine „bunte und vielfältige Demonstration geben soll, an der sich alle beteiligen können“.
Unklar hingegen blieb, wie viel „Gewaltbereite“ zu den Protesten erwartet werden. Folgenlos blieb Grätz bei seinem Bemühen um Aufklärung: „Wenn die Interventionistische Linke sich nicht von Gewalttaten distanziert, bedeutet das nicht, dass Gewalt begrüßt wird.“
Noch aber beherrscht das Thema die öffentliche Wahrnehmung. Ob er denn „keine Angst“ habe, dass die „wichtigen inhaltlichen Forderungen von Greenpeace“ durch gewaltsame Proteste Autonomer am Ende „überdeckt“ werden könnten, wollte eine Journalistin von Karsten Smid wissen. Der aber kann die Sorge nicht teilen: „Wir würden nicht gemeinsam hier sitzen, wenn wir nicht glauben würden, dass die Demo friedlich wird.“
TIEMO RINK