Kein guter Rat für die Ethik

Ein neuer Ethikrat wird gebildet. Doch für ethische Bedenken ist darin wenig Platz

BERLIN taz ■ So umstritten seine Themen sind, so umstritten ist er selbst: Der Deutsche Ethikrat, der heute im Bundestag verabschiedet werden soll. Er wird ab 1. Juli der Nachfolger des Nationalen Ethikrates, den Exkanzler Gerhard Schröder 2001 einführte.

Seine Aufgaben bleiben dieselben. Er soll die Bundesregierung in bioethischen Fragen beraten, wie: Dürfen Embryonen erzeugt werden, um für die Forschung Zellen zu gewinnen? Neu ist dagegen, dass diesmal der Bundestag über die Einführung abstimmen und die Hälfte der Ratsmitglieder bestimmen darf. Die Regierung ernennt die andere Hälfte. Damit will die große Koalition die Kritik vermeiden, die dem Schröder’schen Ethikrat bis heute anhängt: Er sei nicht demokratisch legitimiert. In der Praxis ändert das allerdings wenig: Die Regierungsfraktionen dominieren den bis zu 26 Mitglieder starken Rat. Die Oppositionsfraktionen dürfen je einen Vertreter benennen.

Die Hoffnung der Opposition auf mehr Einfluss ist daher gering. Das trifft vor allem Grüne und Linksfraktion, die in ethischen Fragen oft anderer Meinung sind als die Koalition. Im bisherigen Ethikrat dominieren bereits die „Forschungsfreunde“. Sie sind gegen restriktive Vorgaben, etwa bei der Stammzellenforschung. Das war von Wirtschaftskanzler Schröder so gewollt – und wird sich auch nicht ändern. Zwar gibt es in der Union zu ethischen Fragen zwei Flügel: Die Lebensschützer und den Wirtschaftsflügel. Zu Oppositionszeiten suchten Letztere aus taktischen Gründen oft die Nähe der Grünen, die ebenfalls zu den ethischen Bedenkenträgern gehören. Doch jetzt wird fast ausschließlich der forschungsfreudige Flügel um Bildungsministerin Annette Schavan, Katharina Reiche und Peter Hinze wahrgenommen – unterstützt von der Kanzlerin persönlich.

Die Abgeordneten, die strenge Ethikregeln befürworten, geraten weiter ins Hintertreffen. Grüne und Linksfraktion legen daher heute eigene Anträge im Bundestag vor –mit identischem Wortlaut, aber dennoch getrennt, denn die Grünen wollten keinen dunkelrotgrünen Antrag: Sie plädieren für ein Ethik-Komitee anstelle eines Rates. In diesem sollen Abgeordnete und Experten gemeinsam sitzen.

Auch die FDP, traditionell forschungsfreundlich, mahnt mehr parlamentarische Kontrolle an. Sie fordert die „Einrichtung eines parlamentarischen Beirates für Bio- und Medizinethik“ als Gegengewicht zum Ethikrat.

Doch die große Koalition wird sich auch hier durchsetzen und ihren eigenen, sehr viel zahmeren „parlamentarischen Beirat“ verabschieden. Er soll die Enquete-Kommission des Bundestags „Ethik und Recht“ ersetzen. Für den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen Volker Beck ist dieser Beirat ein „demokratischer Aberwitz“.

KATHARINA KOUFEN