: Weltbank-Spitze leugnet Klimawandel
Paul Wolfowitz muss sich nicht nur mit dem Vorwurf der Günstlingswirtschaft auseinandersetzen. Jetzt soll der Weltbank-Chef die Positionen der Organisation auch noch zu stark an der Klimapolitik von US-Präsident George Bush ausgerichtet haben
VON NIKOLAI FICHTNER
Weltbank-Chef Paul Wolfowitz gerät immer stärker unter Druck. Während die Ermittler in Sachen Günstlingswirtschaft bislang nichts finden, was ihn entlastet, meldet sich jetzt auch der Chefwissenschaftler der Weltbank, Robert Watson, zu Wort. Sein Vorwurf: Die Führungsriege um Wolfowitz wollte den Klimawandel totschweigen.
Eigentlich sollte die Weltbank eine führende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. So sah es zumindest der Auftrag des G-8-Gipfels von Gleneagles 2005 vor. Die Weltbank sollte dafür sorgen, dass Investitionen und Entwicklungshilfe in saubere Energien gelenkt werden.
Doch bei der Formulierung des dazugehörigen Strategiepapiers schien der Weltbank-Vize und Wolfowitz-Vertraute Juan José Daboub vom Klima-Ziel nicht mehr viel zu halten. „Er wollte die Erwähnung des Klimawandels herausnehmen“, sagte Chefwissenschaftler Watson der Financial Times. An manchen Stellen des Papiers habe Daboub das Wort Klimawandel ganz gestrichen, an anderen ersetzte er es durch „Klimarisiken“ oder „Klimaschwankungen“. Durchgekommen ist Daboub mit seiner Klima-Ignoranz nicht: Mitarbeiter um Watson wehrten sich erfolgreich gegen die Einflussnahme von oben. Entwicklungsorganisationen zeigten sich nicht überrascht vom Streit innerhalb der Weltbank. Unabhängig von der Klima-Wortwahl mache die Weltbank in ihrer Energiepolitik nämlich „so weiter wie zuvor“, sagt Lucy Baker vom Bretton Woods Project, einer Nichtregierungsorganisation, die die Weltbank-Politik kritisch beobachtet.
Nach Berechnungen des Washingtoner Bank Information Center gab die Weltbank 2006 93 Prozent mehr für fossile Energien aus als im Vorjahr. „Es ist Heuchelei, wenn Entwicklungsbanken vom Kampf gegen den Klimawandel reden und gleichzeitig Milliardensummen in fossile Energieprojekte stecken“, sagt Daniel Mittler von Greenpeace International.
Auch für erneuerbare Energien und die Förderung von Energieeffizienz hatte die Weltbank 2006 mehr Geld. Doch diese Extrainvestitionen haben nach Ansicht der Kritiker einen wichtigen Haken: Zur Weltbank-Definition für erneuerbare Energien gehören auch Investitionen in große Staudammprojekte oder in die umstrittene CCS-Technik zur Speicherung von Kohlendioxid im Erdboden.
Entzündet hatte sich die Affäre Wolfowitz vor drei Wochen an Vorwürfen der Günstlingswirtschaft. Wolfowitz soll seiner Lebensgefährtin Shaha Riza 2005 eine deutliche Gehaltserhöhung verschafft haben. Seitdem werden die Rücktrittsforderungen immer vehementer: Inzwischen fordert sogar das Europaparlament Wolfowitz’ Rückzug. Dieser geht allerdings weiter davon aus, seinen Posten behalten zu können. Rückendeckung erhielt er dabei von US-Präsident George Bush. Der dankte ihm am Mittwoch bei einer Veranstaltung im Weißen Haus für seine „Führungsstärke in der Weltbank“.
Neben den Vorwürfen der Begünstigung untersucht das Aufsichtsgremium der Weltbank derzeit auch, ob Wolfowitz die Weltbank zu sehr an der Klima- und Entwicklungspolitik der Regierung Bush ausgerichtet hat.