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Archiv-Artikel

„Ich schlage vor, sie wählen DVU“

Weil er regelmäßig Kolumnen in der „National-Zeitung“ schreibt, ist Gerard Menuhin bereits vor anderthalb Jahren aus der von seinem Vater gegründeten Stiftung hinausgeflogen. Am Sonntag macht der Geigersohn DVU-Wahlkampf in Bremerhaven

Für kommenden Sonntag lädt die DVU in die Bremerhavener Stadthalle ein. Vergeblich hatte der Magistrat der Stadt versucht, die rechtsextreme Wahlkampfveranstaltung auszuladen, das Bremer Verwaltungsgericht erklärte die Überlassung der Halle für rechtens. So kann die DVU auch ihren als „besonderen Clou“ angekündigten Redner auftreten lassen: Gerard Menuhin, den Sohn des 1999 verstorbenen weltberühmten Geigers und Dirigenten.

Yehudi Menuhin wurde für sein soziales und auf Völkerverständigung ausgerichtetes Engagement vielfältig ausgezeichnet. Der Spiegel ernannte den dreißigfachen Ehrendoktor, der sich für musische Früherziehung an sozialen Brennpunkten und Konzerte in Gefängnissen ebenso einsetzte wie für Yoga und Vollwertkost, gar zum „Gottvater aller Gutmenschen“. Nun hält sein Sohn eine Rede mit dem Titel: „Ich schlage vor, Sie wählen DVU.“

Bei einem genaueren Blick in die Familiengeschichte ist Gerard Menuhins Engagement allerdings nicht gänzlich überraschend. Sein Großvater Moshe Menuhin, trotz seiner Herkunft aus einer russischen Rabbinerfamilie radikaler Antizionist, war in den 60er Jahren als „kulturpolitischer Berater“ für die National-Zeitung tätig – ein Hintergrund, der in kaum einer der zahlreichen Musiker-Biographien erwähnt wird. „Es gibt einen alten familiären Kontakt“, bestätigt Gerhard Frey jr. auf Nachfrage.

Der 1948 geborene Gerard Menuhin war längere Zeit in der Filmindustrie und anderen Branchen aktiv, nach dem Zusammenbruch des Ostblock engagierte er sich im albanischen Erdölgeschäft. Seit gut zwei Jahren schreibt Menuhin regelmäßig Kolumnen in der von Gerhard Frey sen. herausgegebenen Wochenzeitung. Menuhins Beiträge und Auftritte erfolgten „selbstverständlich honorarfrei“, sagt Frey, „wer etwas anderes auch nur in Erwägung zieht, kennt die Geschichte der Menuhins nicht“.

Yehudi Menuhin eine rechtsextremistische Gesinnung zu unterstellen, gilt freilich allseits als absurd. Dieser hat sich nie öffentlich von den ideologischen Ansichten Moshe Menuhins distanziert, der seinerseits sorgfältig darauf bedacht war, die Karriere seines ständig durch die Welt tourenden Sohnes nicht politisch zu gefährden. „Von diesem ganzen Sumpf wissen wir erst seit kurzem“, sagt Winfried Kneip, Geschäftsführer der „Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland“.

Gerard Menuhin wurde 1999, als Nachfolger von Rita Süßmuth, Vorstandsvorsitzender der Menuhin-Stiftung. Als solcher unterzeichnete er 2004 im Bremer Rathaus zusammen mit Bildungssenator Willi Lemke (SPD) den Vertrag über die Fortsetzung des „MUS-E“-Programms (Music at School in Europe). In Oldenburg engagierte er sich ebenso wie sein Vater für die kulturelle Umnutzung der „Alten Poizeiwache“.

Entsprechend entsetzt ist man bei der Stiftung über Menuhins bevorstehenden DVU-Wahlkampfauftritt. „Das ist eine neue Dimension“, sagt deren Sprecherin Bettina Dornfeld. Ende 2005, nachdem dort die einschlägigen publizistischen Aktivitäten des Vorstandsvorsitzenden bekannt geworden waren, war Menuhin seines Postens bei der Stiftung enthoben worden, – zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits ein knappes Jahr lang seine National-Zeitung-Kolumnen verfasst.

„Erst die Mail eines Sympathisanten, der Menuhin kritisch nach den Gründen für sein Engagement für die Stiftung fragte, hat uns darauf aufmerksam gemacht“, sagt Geschäftsführer Kneip. In der Tat initiiert die Stiftung insbesondere Projekte in sozialen Brennpunkten, rund drei Viertel der damit erreichten Kinder und Jugendliche haben einen Migrationshintergrund. „Jetzt sind alle sehr überrascht von Menuhins politischem Engagement“, sagt Kneip, nichts habe auf seine ideologische Haltung hingedeutet. Menuhin selbst erklärt gegenüber der taz: „Im Gegensatz zu der Behauptung ignoranter Menschen habe ich, wie mein Vater, keine ideologische Haltung.“

Beim Wahlkampf 2006 in Sachsen-Anhalt betrieb Menuhin schriftliche Stimmenwerbung für die DVU, direkte Auftritte waren laut DVU-Vorstandsmitglied Bruno Wetzel internen Versammlungen oder dem „Freundeskreis der National-Zeitung“ vorbehalten. Doch eine Mitgliedschaft oder Kandidatur Menuhins für die DVU sei nicht im Gespräch.

Parteipolitisch im engeren Sinn will sich Menuhin offenbar nicht festlegen, auch dem NPD-Blatt Deutsche Stimme diente er bereits als Interviewpartner. Thema: Die Deutschen würden „nach wie vor“ von einer „internationalen Lobby einflussreicher Menschen und Vereinigungen unter Druck gehalten“. Mit dieser „endlosen Erpressung“ müsse Schluss sein, fordert Menuhin: „Ein Volk, das sich 60 Jahre nach Kriegsende mit den damaligen Geschehnissen einschüchtern lässt, ist nicht gesund.“ HENNING BLEYL