krankenschwestern vermöbeln ist verboten von RALF SOTSCHECK
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Der Alkoholgehalt in der Notaufnahme lag bei durchschnittlich 2,5 Promille. Wir hatten unsere Tochter Ciara mit Blinddarmentzündung ins Dubliner Mater-Krankenhaus eingeliefert. Dann begann das Warten – auf einem Küchenstuhl im Flur. Die Langeweile wurde von einer Reihe illustrer Gäste vertrieben.

Da war zunächst Billy, der leise vor sich hinblutete, aber aufgrund seiner alkoholbedingt schweren Zunge nicht artikulieren konnte, was ihm passiert war. Vielleicht wusste er es auch gar nicht. Tommy sah ebenfalls recht mitgenommen aus, er hatte offenbar mit einem Rottweiler gerauft. Die Situation in der Notaufnahme erinnerte an „MASH“, den Antikriegsfilm von Robert Altman. Es wimmelte nur so von Verletzten, die in der Nacht in eine Schlägerei geraten oder auf die Nase gefallen waren.

Zum Beispiel Father Jack, ein älterer Herr mit wirren Haaren und irrem Blick. Er sah, bis auf die Schürfwunden im Gesicht, dem stets betrunkenen und fluchenden Pfarrer Jack Hackett aus der großartigen Fernsehserie „Father Ted“ verblüffend ähnlich – als ob er im Cabrio durch eine Autowaschanlage gefahren sei. Er schubberte an der Wand entlang, bis er an eine Ecke kam, wo die Wand aufhörte. Dort fiel er einfach um. Bisweilen richtete ihn eine Krankenschwester wieder auf, so dass er bis zur nächsten Ecke weiterschubberte.

Nach 14 Stunden erbeuteten wir einen Sessel für Ciara. Das war Glück, manche Patienten verbringen mehrere Tage auf Holzstühlen. Das irische Gesundheitssystem ist ein schlechter Witz. Trotz des Wirtschaftsbooms, der Irland zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht hat, ist die Situation in den Krankenhäusern heute schlimmer als vor 20 Jahren. Die Steuergelder sind in den Straßenbau geflossen. Irland hat jetzt schöne Autobahnen, auf denen man zügig vorankommt. Wer Geld hat, kommt auch bei Operationen zügig voran. Die Warteschlange, die bei nicht lebensbedrohlichen Krankheiten viele Monate lang ist, kann man als Privatpatient umgehen.

Die anderen müssen Geduld haben. Ciaras Sessel stand im Durchgang vor dem Schreibtisch der Krankenschwester, die sich jedes Mal vorbeiquetschen musste, wenn sie an ihren Arbeitsplatz wollte. Sie hatte schlechte Laune, was verständlich ist. Auf einem Plakat stand: „Wer gegenüber unserem Personal gewalttätig wird, muss mit gnadenloser Strafverfolgung rechnen.“ Es gibt tatsächlich Leute, die Krankenschwestern vermöbeln?

Paul gehört sicher nicht dazu. Er lag friedlich in seinem Sessel und schnarchte. Er tingelt seit Jahren von Krankenhaus zu Krankenhaus und bleibt so lange, bis sie ihn hinauswerfen, wie eine Schwester verriet. Ins Mater kam er gleich im Pyjama.

Es war noch nicht einmal Mittag, als Gerry eingeliefert wurde. Er war voll wie eine Natter vom Balkon im vierten Stock eines Hochhauses gefallen. Da er das nicht bemerkt hatte, war er im Fallen vollkommen entspannt, was ihm vermutlich das Leben rettete: Er trumpfte auf wie ein Gummiball und holte sich lediglich ein paar Prellungen. Jetzt war er wütend, weil er sein Bier auf dem Balkon stehen gelassen hatte und man ihn hier festhielt.

Nach 30 Stunden wurde endlich ein Bett für Ciara frei.