piwik no script img

Archiv-Artikel

Raus aus der Literaturkirche

JUNGE LITERATUR Lesung als eigenständige Kunstform: Zum dritten Mal stellt das Hildesheimer Prosanova-Festival „junge deutschsprachige Literatur“ vor

Natürlich wird es auch hier noch die traditionelle „Wasserglaslesung“ geben. Dabei haben sich die OrganisatorInnen des Hildesheimer Literatur-Festivals Prosanova fest vorgenommen, die Gegenwarts-Literatur endgültig der Kultur des andächtigen Lauschen zu entreißen und stattdessen als kollektives Ereignis zu feiern: Als „eigenständige Kunstform“ soll die Lesung ins Zentrum gestellt werden.

An vier Festivaltagen mit mehr als 30 Veranstaltungen schickt sich die jüngste deutschsprachige Literaturgeneration an, der „guten alten protestantischen Literaturkirche“, wie der Hildesheimer Literaturwissenschaftler und Kulturjournalist Stefan Porombka die klassischste aller literarischen Veranstaltungsformen in seiner Kampfansage jüngst genannt hat, den Garaus zu machen. Nicht mehr der Autor, sondern der literarische Text soll bis Sonntagabend in der Hildesheimer Mackensen-Kaserne in szenischen Lesungen, Video-Slams, Literaturperformances und meditativen Dunkellesungen in den Fokus gerückt werden, in Austausch mit anderen Künsten und Medien treten und dabei nicht zuletzt auch der theoretische Diskurs über die Lesung konzentriert und weitergeführt werden.

Zu hören sind auf dem von den HerausgeberInnen der Literaturzeitschrift Bella triste kuratierten und von über 70 Studierenden des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus der Universität Hildesheim organisierten Festival dabei insgesamt 80 sowohl arrivierte als auch bislang noch unveröffentlichte AutorInnen.

Zumindest einen „Plan“, wie eine gelungene Nicht-Wasserglas-Lesung aussehen kann, präsentieren schon heute Abend Michael „Dichterstauffer“ Stauffer, der Musiker Hans Koch und der Schlagwerker Balts Nill: statt fertige Werke zu verlesen, begeben sie sich inmitten von Worten und Klängen auf die Suche. Multimedial fällt im Anschluss daran auch der „Gegenschuss“ aus. Hier treffen Literatur auf Film, bildreiche Erzählungen auf erzählende Bilder, sieben Autoren auf sieben Kurzfilme der Hamburg Media School. Geradezu traditionell geht es dann nach einer Party am nächsten Tag weiter: Christian Schärf lädt sich Experten zum Tischgespräch bei Kaffee und Frühstücksbrötchen.ROBERT MATTHIES

■ Hildesheim: Do, 26. 5. bis So, 29. 5., Mackensen-Kaserne, Senator-Braun-Allee 20-22; www.prosanova.net