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Archiv-Artikel

„Die Institutionen verbiegen“

GEMEINDEPSYCHIATRIE Die Gapsy hilft psychisch Kranken im eigenen Haus. Heute wird sie 10 Jahre

Helmut Thiede

■ 53, Krankenpfleger, Sozialarbeiter und Betriebswirt, leitet die Gesellschaft für Ambulante Psychiatrische Dienste (Gapsy).

taz: Die psychiatriekritische Bewegung wollte die Grundlagen der Psychiatrie umstürzen und ganz neue Begriff von „gesund“ und „normal“ etablieren. Will die Gapsy das auch?

Helmut Thiede: Die Bewegung wollte vor allem von den psychiatrischen Institutionen abrücken. Genau das ist auch unser Ansatz. Wir wollen verhindern, dass der Mensch sich den Institutionen anpasst. Insofern sind wir vor allem systemkritisch.

Was heißt das?

Das konventionelle Gesundheitssystem finanziert die Krankheit, nicht die Gesunderhaltung. Es fördert Chronizität. Wenn dafür bezahlt wird, dass ein Heimplatz belegt ist, wird zugesehen, dass der auch belegt bleibt. Wir verdienen an der Krankheit. Das ist nicht bewusst so gewollt, aber diesen Mechanismus müssen wir uns bewusst machen. Die Krankenkassen ziehen deshalb auch mit uns an einem Strang.

Was machen Sie anders?

Wir glauben, dass die Institution den behandelten Menschen als Kranken verbiegt. Davon wollen wir weg. Die Leute sollen so kurz wie möglich in den Institutionen bleiben. Wir kommen zu den Patienten nach Hause. Das ist ein völlig anderes Verhältnis: So bieten wir unsere Hilfe als Gast an.

Welche Vorteile bietet das?

Wer ständig gesagt kriegt, wie krank er ist, der denkt sich nach einer Zeit: „Was bin ich eigentlich für ein armer Wicht, ich kann ja gar nichts.“ Wir wollen den Menschen nicht als defizitär begreifen, sondern ihn akzeptieren und bei seinen Fähigkeiten abholen.

Interview: Christian Jakob

Empfang zum 10-jährigen Bestehen: 12.30 Uhr, Schuppen 2