1. mai und springer
: Feuer unter der Tastatur

Es kommt nicht oft vor, dass man sich um die Kollegen bei Springer Sorgen macht. Was die Zeitung Welt in ihrem Berlinteil gestern präsentierte, lässt freilich Schlimmes ahnen. Müssen die Kollegen bald unter Brücken schlafen? Werden die Springer-Hochhäuser verkauft?

KOMMENTAR VON UWE RADA

Tatsache ist: Die Berlin-Redaktion der Welt kann offenbar keine Forografenhonorare mehr bezahlen. Zur Bebilderung des 1. Mai in Kreuzberg haben die Kollegen deshalb auf Archivmaterial zurückgegriffen. Auf dem brennt’s so richtig, wie eh und je. Unter dem Foto steht: „Der 1. Mai im vergangenen Jahr: Vermummte Randalierer vor brennenden Mülltonnen“.

Vielleicht war es aber doch anders. Vielleicht haben Welt und Morgenpost gleich Dutzende von Fotografen losgeschickt. Nur konnten die nicht liefern, was die Redaktion wollte: Randale. Deshalb die Randale vom Vorjahr. Weil Bilder von fröhlich feiernden Kreuzbergern das eigene Weltbild gefährden. So sitzen die letzten Chaoten der Stadt also in der Springerstraße.

Eine ganz neue Volte der Maiberichterstattung kommt indes von der Morgenpost: „Ex-RAF-Terroristin marschierte mit 4.500 Demonstranten durch Kreuzberg“. Da zittert nicht nur die Republik. Da zittern auch die Hände der Redakteure. Feuer frei statt Feuer unter der Tastatur, das wär doch was. Ersatzweise gibt’s Schnaps. Der brennt auch.

Blöd nur, dass noch in diesem Jahr die überregionale Bild-Redaktion von Hamburg nach Berlin ziehen soll. Dabei könnte dem ein oder anderen Neuberliner auffallen, dass die Polizei recht hat, wenn sie sagt: Mai in Kreuzberg ist inzwischen wie Baumblütenfest in Werder.