: Krösus für Chronik gesucht
60 Jahre auf 1.500 Seiten: Bremens Nachkriegsgeschichte soll erstmals gesamtdargestellt werden
Veröffentlichungen zu Bremens Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg füllen bereits jetzt nicht nur laufende, sondern fast schon rasende Regalmeter. Auch Zusammenfassendes ist dabei – nicht aber eine umfangreiche Gesamtdarstellung. Die Edition Temmen will das ändern. Dafür knüpft der Verlag an Herbert Schwarzwälders bis 1945 reichende „Geschichte der Freien Hansestadt Bremen“ an, deren Herausgabe vor 22 Jahren begann.
Zum diesjährigen Weihnachtsgeschäft soll der erste Band erscheinen. Bei der Finanzierung klafft allerdings noch eine sechsstellige Lücke – trotz der Gründung einer gemeinnützigen „Gesellschaft für Bremer Nachkriegsgeschichte“. Jetzt sind weitere SpenderInnen gefragt. Also: Würde die Sicht der Arbeitnehmerschaft an Bedeutung gewinnen, wenn beispielsweise die Gewerkschaften finanziell einstiegen? „Wir sind nicht käuflich“, sagt Mitherausgeber Karl Marten Barfuß knapp – der emeritierte Wirtschaftswissenschaftler ist ohnehin ehrenamtlich engagiert.
Mit Hartmut Müller, dem früheren Leiter des Stadtarchivs und Detlev Kniemeyer, der jahrzehntelang das Stadtplanungsamt leitete, hat Temmen weitere hochqualifizierte Pensionäre gewonnen. Kniemeyer weist zum Beispiel nach, dass die Planungen für eine „Internationale Universität“ in Bremen bereits einen Monat nach Kriegsende begannen: 1948 beschloss die Bürgerschaft dann deren Ansiedlung in den Grohner Kasernen – gegen die Stimmen der CDU.
Das laut Verlag an allgemeiner Verständlichkeit orientierte Chronik-Projekt wird genügend Platz für derlei Details bieten. Die Geschichte von gerade mal zwei Generationen wird in immerhin vier Büchern aufbereitet. Zum Vergleich: Die 150.000 Jahre davor sind mit fünf Bänden bedient. Das liegt nicht nur daran, dass aus der Bremer Neandertaler-Zeit, mit der Schwarzwälder einsteigt, nur eine überschaubare Informationsmenge zur Verfügung steht, sondern auch an der breiten Auffächerung der jetzt geplanten Darstellung: Sechs Themenbereiche wie Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und „Ereignisse“ werden separat beleuchtet, jeweils wiederum aufgeteilt in Zeithappen von bis zu 15 Jahren. Im rechnerischen Durchschnitt kommen so 25 Seiten pro Nachkriegsjahr zusammen.
Das statistische Landesamt soll einen bebilderten Daten & Zahlen-Band inklusive der Wetterentwicklung beisteuern, Diethelm Knauf vom Landesfilmarchiv arbeitet an einer DVD. Ob die Darstellung, wie vom Verlag angekündigt, tatsächlich bis 2005 reichen wird, ist unter den AutorInnen offenbar umstritten. Barfuß gibt zu bedenken: „Spätestens ab 2000 nehmen die Befangenheiten deutlich zu.“
HENNING BLEYL