Die Herren Lebert, müssen wir reden?

Ein Chefredakteur und ein Reporter haben ein Problem: Sie wissen nicht mehr, was es heißt, männlich zu sein

Manche Erkenntnisse sind ja so gewinnbringend, dass sie ein ganzes Leben verändern. Bis vor kurzem zum Beispiel dachte ich, all die Männer, die in Berliner Cafés an einem Montagmorgen zu zweit zusammensitzen, Espresso und frisch gepressten Organgensaft, einmal Früchtemüsli und ein großes stilles Wasser bestellen, gehörten zur viel gepriesenen Kreativszene der Hauptstadt. Im weitesten Sinne zählen Journalisten in Anzügen und Politikmacher ja längst dazu. Sie handeln mit Sicherheit immer etwas sehr Bedeutendes aus.

Heute aber weiß ich: Kaffeehaus-Situationen dieser Art sind Ausdruck einer höheren Zivilisationsstufe im Geschlechterkampf. Man sollte also besser lieb zu diesen Männern an den Tischen sein.

Denn worum es in diesen Gesprächen wirklich geht, haben die beiden Brüder Andreas Lebert, Chefredakteur der Mutter aller Frauenzeitschriften, Brigitte, und Stephan Lebert, eigentlich preisgekrönter Reporter und sonst Redakteur für besondere Aufgaben bei der Zeit, nun enthüllt: um ein „kollektives Problem, das wir lösen müssen. Der Mann weiß nicht mehr, was es bedeutet, ein Mann zu sein.“

Wow. Wie und dass sie dieses Problem gelöst haben, kann jetzt jeder nachlesen, und zwar in ihrer „Anleitung zum Männlichsein“ (160 Seiten, 16,90 Euro)

Grundsätzlich verbietet sich angesichts solch gravierender Identitätsfragen jede Häme. Vor allem, wenn man offensichtlich zu den 42,1 Millionen Frauen in Deutschland zählt, die die „beiden Autoren“ zu einer Stimme zusammengefasst haben und bis auf kurze Einwürfe eigentlich nicht mit am Tisch bei ihrer Gender-Selbstreflexion sitzen haben wollen: „Wir leisten uns einen einmaligen Luxus: Wir bestimmen, wann wir diesen Sound hören wollen.“ Denn Frauen hätten einen zentralen Wesenszug: sich überall einzumischen, an passender oder unpassender Stelle zu Wort zu melden, „uns zu stören und zu verstören“.

Wohl wahr.

Diese „Entscheidung“ ist mit Sicherheit eine gute. Man würde ja wahnsinnig. Vor allem als Frau. Wir haben wirklich genug andere Probleme. Die neueste Brigitte-Diät zum Beispiel. Oder SPD-Frauen mit irren Doppelnamen, die wieder Gleichstellungspolitik als Grundsatzprogramm betreiben.

Andererseits können Frauen, wie sie die beiden Autoren beschreiben, ja gar nicht anders, als neugierig zu sein, sobald sich da jemand in Frage stellt, Schwächen eingesteht und in Psychotest-Manier Stärken daraus ableitet. Schließlich haben Frauen das in mühsamer und jahrzehntelanger Schulung durch Frauenmagazine lernen müssen.

Also bestellte ich die Anleitung, beschloss, mich sonst nicht weiter einzumischen, und schon gar nicht, die beiden zum Reden zu bewegen oder gar Beifall zu spenden (denn dafür haben sie das Buch nicht geschrieben, denn das ist die „Falle, in der Männer alles verlieren, was sie ausmacht“). Einfach mal zuhören, schlucken und schweigen, wie in guten alten Zeiten.

Und?

Als Test-Männerversteherin fasse ich zusammen: „Wer bist du? Wer bin ich? Das muss immer klar sein (Copyright: Franz Beckenbauer)“.

„Kommt es nicht gerade darauf manchmal an: dass man Bedenken ausblendet?“

„Es gibt nur ein Gesetz: die eigene Lust. Im Bett ist die Auflösung der Rollenbilder völliger Unsinn. Mehr noch: Er ist eine Falle.“

„Ein Cowboy reitet alleine ins Ungewisse. Aber es ist eine Reise nach innen. Der Kampf gegen den Mann ohne Eigenschaften muss da drinnen geführt werden.“

Und so weiter und so tragisch. Ach so, klar, fast vergessen: Vater und Sohn, ein schwieriges Kapitel, wie es scheint. Gut, dass die beiden so oft und offen miteinander in ihrem Berliner Café gesprochen haben. Da bin ich mir ganz sicher.

Sogar das Münchener Faktenmagazin, das sich für gewöhnlich im Sumpf von Geheimdienstkerlen tummelt, hat schon auf die „Anleitung zum Männlichsein“ reagiert. Titel der vergangenen Woche: „Die Männer-Diät“.

SUSANNE LANG über DIE ANDEREN

DIE ANDERENManns genug? kolumne@taz.de Morgen: Adrienne Woltersdorf OVERSEAS