in fußballland
: Hase, Scheißtier, Aufsichtsrat

CHRISTOPH BIERMANN fühlt sich von Hamburger SV – VfL Bochum zu einer Real-Life-Soap inspiriert

SZENE 1: Schwarzmarkt

Ich stehe vor dem Eingang zum Gästeblock des Hamburger Stadions in der Sonne und halte eine überzählige Karte hoch, weil ein Freund nicht mitkommen konnte. Ab und zu fragt jemand, aber der Markt ist eher träge.

Fan (mit Shirt, auf dem in Frakturschrift „Bochum“ steht): Was haste denn da?

Ich: Sitzplatz Gäste, Block 14 B.

Fan: Kommt mal her, der hat die richtige Karte.

Fünf weitere Jungs, ebenfalls Anfang 20 und in Blau-Weiß. Alle leicht angetrunken, aber in heiterer Verfassung.

Fan: Was willste denn dafür haben?

Ich: Was drauf steht, 31 Euro.

Fan (überlegt): Kannste uns nicht’n bisschen entgegenkommen.

Ich: Hm, ich habe halt selber 31 Euro bezahlt.

Fan (blitzschnell): Sagen wir 30!

Ich: Ah, Verhandlungsgenie.

Fan (kneift kurz ein Auge zu): Bin Verkäufer.

Ich: Na dann.

Fan (zu seinem Kumpel): Die nimmst du jetzt.

SZENE 2: Aufsichtsrat will ins Stadion

A. war zum Plaudern vors Stadion gekommen. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat des Hamburger SV und hat daher eine Karte, mit der er überall hin darf, sogar in die Umkleidekabinen. A. begleitet uns noch durch die Einlasskontrolle.

Ordner 1: Was haben Sie denn da in der Tasche?

A.: Eine eingeschweißte Zeitschrift, die neue Max.

Ordner 1: Die können Sie hier aber nicht mit reinnehmen.

A.: Kein Problem, ich habe hier eine Karte, die mich als Aufsichtsrat ausweist.

Ordner 1: Hm, na gut.

A. (auf dem Weg zur nächsten Kontrolle): Mann ist mir das peinlich, hier den Aufsichtsrat raushängen lassen zu müssen.

Ich: Wenn du einen Anzug tragen würdest, gäb es die Probleme nicht.

Ordner 2 (zu A.): Mit der Karte kommen sie hier nicht durch.

A. (etwas lauter): Mit der Karte komme ich überall durch.

Ordner 2: Aber nicht hier, und jetzt bleiben Sie mal ruhig. (Schiebt A. zur Seite, noch ein Ordner kommt)

A. (nur aus der Ferne zu hören): Aufsichtsrat. Bernd Hoffmann anrufen.

SZENE 3: Down-Aggro

In der Halbzeitpause läuft mir Klaus über den Weg, der auch schon seit 35 Jahren zum VfL geht.

Klaus: Wenn du neben mir sitzen würdest, da hättest du Stoff für ganz viele Geschichten.

Ich: Warum?

Klaus: Da ist ’ne Frau, ungefähr Mitte 30 und mongoloid.

Ich: Du meinst mit Downsyndrom.

Klaus: Wie auch immer. Die beleidigt das ganze Spiel über den HSV, dass mir der Kopf dröhnt.

Ich: Was ruft die denn?

Klaus: Meistens „Du Misttier!“, davon werde ich heute Nacht träumen.

Ich: Du Armer.

Klaus: Manchmal ruft sie auch „Du Scheißtier!“.

SZENE 4: Nachricht an Hase

Hintermann (spricht in sein Mobiltelefon): Hase, wir führen 2:0

Hase (ist nicht zu hören)

Hintermann: Was heißt hier, wer führt? Wir führen! Der VfL!

Hase (ist nicht zu hören)

Hintermann: Ja, ist doch normal. Wir spielen doch bei ’nem Abstiegskandidaten. (Sein Blick fällt auf den Hamburger Sorin, einen Argentinier mit langen Haaren.) Bei denen spielen sogar Mädchen mit.

Hase (legt offensichtlich auf)

Hintermann (klatscht in die Hände): Und heute Abend das ganze Programm, mit Doll House und Safari-Club. (dann lauter) Ihr könnt nach Hause fahr’n, ihr könnt nach Hause fahr’n.

Christoph Biermann (46) liebt Fußball und schreibt darüber