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Archiv-Artikel

Macht was her

Eine Veranstaltung im Berliner Maxim Gorki Theater wollte wissen, wie populär Geisteswissenschaft sein darf

Der Philosoph Herbert Schnädelbach begann mal einen Essay cool mit den Sätzen: „Die Geisteswissenschaft werden wieder einmal verteidigt. Das ist nötig, seit es sie gibt.“ Schließlich seien ihre Verfahren, ihre Ergebnisse und ihre Existenzberechtigung nie unumstritten gewesen. Das war Ende der Achtzigerjahre gesagt, und da begann das Wort Evaluierung erst in den Köpfen von Bildungs- und Kulturpolitikern herumzuspuken.

Die Geisteswissenschaften spielten also immer schon aus einer kontrollierten Defensive heraus. Man muss sich daran erinnern, um diese leichte Irritation in den Griff zu kriegen, die derzeit vom Jahr der Geisteswissenschaften ausgeht. Denn unter diesem Rubrum geht es ja – mit freundlicher Unterstützung vom Bundesbildungsministerium – einmal nicht darum, die Geisteswissenschaften zu verteidigen, sondern sie zu feiern. Das ist ungewöhnlich. Wie macht man das? Darf man das überhaupt? In der Praxis übersetzt sich das jedenfalls vor allem in PR-Maßnahmen: freundliche Internetauftritte, professionell gestaltete Pressemappen. Und den inhaltlichen Input sollen Podiumsdiskussionen geben wie die, die am Dienstag im Berliner Maxim Gorki Theater stattfand.

Ihre Idee war, unter einem flotten Titel („Geisteswissenschaften to go – Wie populär dürfen geisteswissenschaftliche Themen sein?“) kluge und bekannte Köpfe auf einer Bühne zum Sprechen zu bringen. Irgendetwas würde schon dabei herauskommen. Und das kam natürlich auch. Gustav Seibt von der SZ mahnte an, dass, wer von den Geisteswissenschaften und dem Feuilleton rede, auch von Bildung sprechen müsse. Jürgen Kaube von der FAZ ventilierte rhetorisch geschickt sein Vorurteil, dass in den Geisteswissenschaften viel heiße Luft produziert wird. Barbara Vinken von den Uni München freute sich darüber, wie sehr man mit geisteswissenschaftlichen Methoden die scheinbare Selbstverständlichkeit der Gegenwart dekonstruieren kann. Luca Giuliani vom Berliner Wissenschaftskolleg gab unterhaltsam den Aufklärungsentertainer. Und Harald Welzer freute sich, dass zumindest auf dieser Veranstaltung nicht nur über die Krise der Geisteswissenschaft geredet wurde.

Kurz: Der Geist weht, wie er will. Vielleicht macht es auch gar nichts, dass bei solchen Veranstaltung oft so wenig herauskommt. Schließlich ist es auch eine Art Feier des Geistes, ihn ab und zu mal aufblitzen zu lassen. Und ausgeschlafene Polemiker wie Jürgen Kaube oder geschickte Popularisierer wie Luca Giulani haben so etwas drauf. Damit hängt wohl auch der Trend zusammen, bei den Chefposten der großen Kulturinstitutionen (Marbach, Stiftung Preußischer Kulturbesitz) den Typ Bibliothekar durch den Typ „Macht was her“ auszutauschen. Ohne Showqualitäten geht es nicht mehr.

Allerdings hatte die Bundesbildungsministerin zum Auftakt etwas anderes versucht. In dem Grußwort von Annette Schavan tauchten die Geisteswissenschaften dezent, aber deutlich als Allvermittler auf, als Instanz, die das Wissen und die Gesellschaft zusammenhält und so noch ein großes Ganzes gewährleistet. Das ist eine Sicht, gegen die sich schon Herbert Schnädelbach verwahrt hatte. Damals war gerade die Ansicht Mode, dass die Geisteswissenschaften die Krisen der Moderne durch Rückgriffe auf die Tradition kompensieren sollten (was sie auf Antimodernismen festlegen würde). Gegenüber diesem Grußwort bot das Podium einen lustigen Kontrast. Wie Leute, die sich noch nicht einmal auf gemeinsame Themen einigen können, die Gesellschaft zusammenhalten sollen, möchte man einmal eingehender erklärt bekommen. Die Ministerin merkte noch an, dass der kulturindustrielle Bereich derzeit 1,6 Prozent unseres Bruttosozialprodukts generiere, knapp hinter der chemischen Industrie. Dieser Rekurs auf die harten Fakten war Frau Schavan selbst etwas peinlich. Warum eigentlich? Es klingt zwar vielleicht nicht bildungsbeflissen, die Geisteswissenschaften als notwendige Grundlagenforschung eines boomenden Industriezweigs zu feiern. Aber man sollte mal ausprobieren, ob man mit einer solchen Argumentation nicht hier und da mehr Forschungsmittel lockermachen könnte. Wenn schon PR-Feier, soll schließlich auch was dabei rumkommen. DIRK KNIPPHALS