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Archiv-Artikel

„Keine Gestaltungsfreiheit“

KONGO Papa Wemba, der bekannteste Musiker der Demokratischen Republik Kongo, über die Lage der Kultur in seinem Land, die Karibik-Connection und den politischen Wandel

Papa Wemba

Papa Wemba, geboren 1949 im Dorf Lubefu in der zentralkongolesischen Kasai-Region, ist der bekannteste kongolesische Musiker seiner Generation. In den 1970er Jahren war er die zentrale Figur der zairischen Künstlerszene im Stadtteil Matonge von Kinshasa. Heute lebt er in Paris, wo ihm seine Unterstützung für Kongos Präsident Joseph Kabila bei den letzten Wahlen 2006 viel Ärger unter Exilkongolesen einbrachte. Gestern trat er beim Africa Festival in Würzburg auf. Weitere Informationen: www.africafestival.org.

INTERVIEW DOMINIC JOHNSON

taz: Das Würzburger Africa Festival hat dieses Jahr einen Karibikschwerpunkt. Die kongolesische Musik hatte immer eine besondere Beziehung zur Karibik. Ist die immer noch wichtig und lebendig?

Papa Wemba: Der Kongo ist inzwischen seinen eigenen Weg gegangen. Die Basis der kongolesische Musik bleibt der kongolesische Rumba, und dadurch liegt Kongos Musik am Ursprung von vielem in der afrikanischen Musik, Stilrichtungen wie Coupé Décalé und so. Aber der Kongo hat eine eigene Kraft, er geht seinen Weg.

Man hat aber heutzutage den Eindruck, dass Kongos Musik sich nicht besonders weiterentwickelt, dass sie nicht mehr die Ausstrahlung von einst hat. Stimmen Sie dem zu?

Ich finde das nicht. Kongos Musik entwickelt sich, zum Guten wie zum Schlechten. Sie hat neue Töne, neue Erscheinungsformen, neue Arbeitsweisen entwickelt. Wie gesagt: zum Guten wie zum Schlechten.

Was meinen Sie damit?

Ich denke, unsere Musik leidet am allgemeinen Mangel an Strukturen in unserem Land. Wir haben keine professionellen Strukturen, die unseren Musikern zur Verfügung stehen.

Die Kriege der vergangenen Jahrzehnte haben ihre Spuren hinterlassen?

Oh ja!

Aber wieso erheben Kongos Künstler – also nicht nur Musiker, sondern auch Schriftsteller und Kulturschaffende überhaupt – nicht stärker ihre Stimme angesichts der Situation ihres Landes?

Warum sollen die Musiker von der Situation ihres Landes sprechen? Die Kongolesen wollen diese Situation nicht. Sie sind in ihrem Land, aber sie haben keine Gestaltungsfreiheit für ihr Land, denn alles, was geschieht, wird von außen bestimmt. Es ist bei uns nicht so wie in der arabischen Welt. Man kann nicht von den Musikern verlangen, dass sie ihre Notlage durch ihre Lieder besingen.

In manchen Ländern steht die Kulturszene aber an vorderster Front bei der Forderung nach Veränderung.

Der politische Wandel aber kommt von außen. Die Machthaber sind unglücklich. Sie sind Gefangene eines Systems, das woanders erdacht wird.

Die Machthaber im Kongo?

Die in Afrika insgesamt. Gaddafi ist nicht frei! Er wird gezwungen zu gehen. Das wird woanders angeordnet, und das Volk hat keine Gelegenheit, seinen eigenen Führer zu wählen. Man sollte ihn nicht als Diktator behandeln. Wenn es in Libyen Diktatur gab, dann, weil das Volk sie mitgetragen hat.

Sie waren vor wenigen Wochen wieder in Kinshasa, zur Beerdigung Ihres Musikerkollegen Debaba. Wie fanden Sie die Stimmung?

Es geht den Leuten schlecht, sie haben alle Hände damit zu tun, ihren Alltag zu organisieren.

Und in Matonge, dem Künstlerviertel, wo Sie in den 70er Jahren berühmt wurden?

Die Leute sind ein bisschen müde, aber es gibt immer noch gute Stimmung in den populären Vierteln. In Matonge tragen die Menschen immer noch ein Lächeln im Gesicht. Es ist nicht ständiger Tanz, aber sie betteln nicht auf der Straße, sie senken nicht den Kopf, um etwas zu essen zu bekommen.

Man spricht heute viel von „Libanga“, der Praxis von Musikern im Kongo, ihr Geld damit zu verdienen, dass sie öffentlich in ihren Liedern die Reichen und Mächtigen preisen. Finden Sie das problematisch?

Es ist nicht problematisch, aber es kann problematisch werden. Ich sagte bereits: Es fehlen Strukturen für die Musiker. Wenn wir Libanga machen, dann, um zu überleben. Es gibt nichts anderes. Vielleicht bauen wir morgen etwas auf, aber bis dahin ist der Künstler gezwungen zu überleben. Es ist nicht seine Schuld. Wenn wir unsere reichen Freunde lobpreisen, dann auch, um unseren eigenen Wert herauszustellen. Es geht um Anerkennung. Da ist auch nicht erst seit heute so. Kongos Musik hat schon immer so funktioniert.

Wie könnten denn die Strukturen aufgebaut werden, von denen Sie sprechen?

Das müssen die Künstler selbst in die Hand nehmen. Man muss die Politik den Politikern überlassen und die Kunst den Künstlern. Und das Fischwasser den Fischen. Jedem seinen Platz. Wenn ein Politiker die Kunst organisiert, fällt er auf die Schnauze. Ich will doch auch kein Schneider oder Politiker sein.