: Frauen in Blau
VERFREMDUNG Die finnische Künstlerin Rosa Liksom inszeniert und fotografiert Burka-Trägerinnen in verschiedenen europäischen Landschaften. Zwölf dieser Fotos zeigt derzeit eine Ausstellung in der Hamburger Staatsbibliothek
Eigentlich sollte Rosa Liksom anno 2005 nur die finnische Nationallandschaft fotografieren. Aber was ist an Natur schon national? Und erst recht aus Sicht der benachbarten Schweden mit ihrer ganz ähnlichen Landschaft – war die Idee einer solchen Ausstellung gerade in Stockholm nicht Irrsinn? Egal, sie wollte es, und als sie die Orte dann auch noch filmte, fehlten ihr Protagonisten, die einen gewissen Widerborst in die Sache brächten. Etwas Verfremdendes.
Da hat sie Frauen in Burkas gewählt, jenen Ganzkörper-Schleiern aus Pakistan und anderen muslimischen Ländern, die in Italien, Frankreich und Belgien verboten sind. Zwölf Fotos ihres „Burka-Projekts“ werden jetzt in Hamburgs Staatsbibliothek gezeigt. Islam-intern sind sie nicht vorgeschrieben, sondern übererfüllen das Verschleierungsgebot. Abgesehen davon hat Finnland einen Ausländeranteil von nur drei Prozent. Die Burka ist dort also so selten, dass das Motiv vermutlich nicht einmal provoziert.
Aber genau kennt man die Beweggründe der in Lappland geborenen Künstlerin und Autorin Rosa Liksom nicht, denn auch sie verhüllt sich gern: „Liksom“ heißt auf Schwedisch „gleichsam, ähnlich“ und ist ein Pseudonym. Auch bei öffentlichen Veranstaltungen tritt sie maskiert auf. Studiert hat sie Anthropologie und Sozialwissenschaften in Helsinki, Kopenhagen und Moskau, und ihre Romane – „Kreisland“ und „Abteil Nr. 6“ – handeln von Menschen am Rande der Gesellschaft.
Liksom ist also eine schillernde Figur, aber keine Polit-Künstlerin, und auch dahinter kann sie sich gut verbergen und quasi naiv die finnlandflaggenblaue Burkas in See-, Gebirgs- und Stadtlandschaften verschiedener europäischer Länder setzen. Denn das Burka-Projekt hat sich verselbstständigt, und auf jeder Lesereise macht Liksom neue Fotos, auf denen sie oft selbst unter den Schleier schlüpft. Musliminnen stecken nämlich nie unter den Burkas, es ist reine Inszenierung.
Indirekt sprechen diese Fotos natürlich sehr wohl über den Blick auf das Fremde – aber das dominiert so wenig, dass man fast irritiert ist über ihren Kitschgehalt: Da steht eine Burka-Trägerin wie eine Märchenprinzessin am See; vielleicht entsprang sie der zierlichen Muminwelt der finnischen Kinderbuchautorin Tove Jansson. Anderswo stehen zwei Frauen in Burkas wie freundliche Hexen in Dickicht. Daneben fünf blau Verhüllte beim Gänsemarsch durchs Rapsfeld: Hier ist nichts von der erhitzten Debatte über Grenzen persönlicher Freiheit zu spüren, hier wurde ein Signet dekontextualisiert und zur rein ästhetischen Ikone gemacht.
Nach dem fünften, sechsten Foto kennt man die Masche. Doch es fräst sich so eine neue Blickgewohnheit ein – und die ist geeignet, Vorurteile und Unwohlsein gegenüber Fremden abzubauen. Und ganz nebenbei auf eine unverkrampfte Begegnung mit Menschen vorzubereiten, die äußerlich verhüllt sind. PS
■ bis 16. 11. 2014, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg