„Rankings für Schulen sind gefährlich“

Prüfungen machen nur Sinn, wenn danach auch neue Konzepte entstehen, sagt Schulpädagoge Tilmann

KLAUS TILLMANN, 62, ist Schulpädadogik-Professor an der Uni Bielefeld und leitet dort die nordrhein-westfälische Laborschule.

taz: Herr Tillmann, in NRWs Schulen ist die Testerei ausgebrochen. Wie gehen die Kinder und Jugendlichen mit dem Leistungsdruck um?

Klaus Tillmann: Der Umgang mit Prüfungen ist unterschiedlich: Es gibt Schüler und Schülerinnen, die einen hohen Druck verspüren und andere, die damit gelassen umgehen.

Besteht nicht die Gefahr, dass SchülerInnen nur noch auf Tests vorbereitet werden und etwa Projektarbeit in den Hintergrund rückt?

Die Lernstandserhebungen finden ja nicht ständig statt, sondern nur alle paar Jahre. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Lehrer dazu tendieren, diese Formate häufig zu üben. Das Ministerium hingegen hat die Hoffnung, dass dadurch die Kerninhalte eines Fachs besser gelernt werden.

Und was meinen Sie?

Leider haben wir dazu keine empirischen Erkenntnisse. Eines ist aber klar: Wenn die Schwächen, die den deutschen Schülern bei PISA attestiert wurden, vor allem zu zusätzlichen Tests führen, ist das keine angemessene Reaktion. Während zusätzliche Tests intensiv betrieben werden, fehlen dringend notwendige Maßnahmen zur Lernförderung.

Gestern wurden die Lernstandserhebungen bei den Drittklässlern abgeschlossen. Was passiert jetzt damit?

Das ist ein problematischer Punkt. Diese Erhebungen machen nur dann einen Sinn, wenn die Ergebnisse so verarbeitet werden, dass anschließend den Schülern geholfen und der Unterricht besser wird. Dafür bedarf es aber genauer Analysen und intensiver Beratungen. Dazu sehe ich überhaupt kein überzeugendes Konzept in Nordrhein-Westfalen. Im Gegenteil: Das Landesinstitut in Soest, dass dies machen könnte, ist demontiert worden und andere Stützsysteme kann ich nicht erkennen.

Dafür will das Schulministerium mit den Ergebnissen Rankings erstellen.

Das ist unter Fachleuten hoch umstritten. Meines Erachtens sind die Einwände gegen Rankings durchschlagend. Ich kann nur warnen, die Ergebnisse für Rankings zu benutzen. Das führt dazu, dass Schulen, die schon Probleme haben, noch ein negativeres Image kriegen. Und dass dann die letzten leistungsstarken Schüler und Schülerinnen von diesen Schulen weggehen werden. So werden wir noch höhere Leistungsdifferenzen zwischen Schulen bekommen – obwohl genau das Gegenteil erstrebenswert wäre. Für Schulen, die schwach abschneiden, müssten Stützkonzepte entwickelt und mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Dafür braucht man aber keine Rankings.

INTERVIEW: N. WIESMANN