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Archiv-Artikel

Die Klimafreunde aus Marzahn

ÖKO-FESTIVAL Die Besucher kommen wegen Bratwurst und Musik. Und was ist mit Klimaschutz?

Die Klimafreunde sind an den Rand gedrängt. Naturstrom, Oxfam und der örtliche Umweltverein mussten ihre Stände neben dem Zaun aufbauen, die besten Plätze rings um die Bühne haben Fressbuden und Fahrgeschäfte besetzt, wie auf einem üblichen Stadtfest. Dabei findet heute das „große Klimaschutzfestival“ statt. Ein grünes Fest im grauen Marzahn.

Von Feierlaune ist in der toten Ecke nicht viel zu spüren. „Bisher waren kaum Leute bei uns“, sagt Stefanie, 31, fünf Ringe im rechten Ohr und einen in der Nase. Sie ist mit der Initiative „Klima sucht Schutz“ da, die Kooperationspartner der Veranstaltung ist. Stefanie hat eine Checkliste für klimaneutrale Festivals erarbeitet. Ein Punkt darauf ist der Verzicht auf Chemietoiletten. In dem Ostberliner Bezirk Marzahn aber steht neben der Bühne eine ganze Siedlung der blauen WC-Häuschen. „Hier auf dem Platz fehlen Wasseranschlüsse, da musst du halt Dixiklos aufstellen“, sagt Stefanie.

Trotzdem sei sie froh, dabei zu sein. „Hier können wir Leuten den Klimaschutz nahebringen, die sonst nichts damit zu tun haben.“ An Stefanies Stand steht ein Glücksrad. Hauptpreis: eine Energiesparlampe. Mehrfach habe sie heute beantworten müssen, ob es den Klimawandel wirklich gibt. „Klimawandel findet statt, guck mal, ich habe einen Sonnenbrand.“

Es ist heiß, 30 Grad. Staubtrocken. Nur am Stand der örtlichen Mietergenossenschaft ist die Luft modrig. Besucher können dort Kräuter eintopfen. Daniel, 36, hilft seinem kleinen Sohn, eine Ananasminze in einen Terrakotta-Topf zu pflanzen. „Hier wird sehr viel für Kinder geboten, doch leider sind wenig Leute gekommen“, sagt er.

Auf der Bühne tritt eine Zirkustruppe in den orangen Uniformen der Stadtreinigung auf. „Für euch alle, das mit dem Mülltrennen ist wirklich wichtig“, ruft der Sänger den Leuten auf den Bierbänken zu. Dort hockt auch Dustin, 24. Vor ihm stehen leere Bierflaschen, der Inhalt in weiße Plastikbecher gefüllt. „Schau, warum hat niemand an Pfandbecher gedacht? Und Müll wird hier auch nicht getrennt.“ Seinen Freunden und ihm sei dies aber egal. Gekommen sind sie wegen der Band Jigs.

Stefanie von „Klima sucht Schutz“ ist nicht zum Spaß hier. Sie hatte den Ausstellern Tipps gemailt, zum Beispiel wie sich Müll vermeiden lässt und wo sie einen Erdgastransporter mieten können. Am Stand der Berliner Stadtreinigung fragt sie nach der Umsetzung. Der Mitarbeiter zählt auf: alle Kollegen mit der Bahn hier, die Infozettel auf Recyclingpapier gedruckt. „Das hier aber stört mich“, sagt er und zeigt auf seinen Plastikbecher.

Also geht Stefanie zu dem Mann, der für den Müll verantwortlich ist: dem Chef der Bier- und Bratwurststände. Seine Leute müssen Einwegbecher nutzen, antwortet er ihr, „weil es hier keinen Wasseranschluss gibt“. Die Infrastruktur auf dem Gelände sei mies. „Alle Aussteller haben Stromaggregate laufen“, sagt er, „nicht sehr umweltfreundlich“.

Gleich ist der Kölner Rapper Eko Fresh dran. „Ernst und Spaß, das Zucker- und Pillenprinzip, ist genau das Richtige, damit Kids über Umweltschutz nachdenken“, sagt er backstage. Er selbst könne hier noch viel lernen, sagt er, denn er sei kein Spezialist in Klima- und Umweltfragen. Er ist mit dem Auto von Köln nach Marzahn gefahren. Einfache Fahrt: 500 Kilometer. DAVID KRENZ, FLORIAN MUARRAWI