Die Spree wird ein sauberer Spaß

Nächstes Jahr ist es so weit: In der Spree darf ein Behälter Abwasser sammeln, während obendrauf gefeiert wird. 2011 soll sogar das Baden möglich sein. Kritiker befürchten: Der Fluss gerät zum Event

Außerhalb des S-Bahn-Rings gehen Regenwasser und Schmutzwasser getrennte Wege. In der Innenstadt dagegen gibt es seit 1873 eine „Mischwasserkanalisation“. Sie sammelt Regen und Schmutzwasser und leitet es in die Klärwerke. Bei „Starkregen“ aber läuft das Mischwasser in die Spree. Die ersten Überleitungsrohre gibt es ab der Elsenbrücke. Da dort die Spree besonders breit ist, wird der erste Behälter im Rahmen des Pilotprojekts „Spree 2011“ an dieser Stelle gebaut. Mitte 2008 soll die Pilotanlage mit 1.500 Kubikmetern Fassungsvermögen fertig sein und zwei Jahre in Probebetrieb gehen. Ausdrücklich fordert das Bundesforschungsministerium, dass die neue Technologie auf andere Städte übertragbar sein soll. Begleitet wird das Projekt von der TU Berlin. Auf der Pilotanlage entsteht eine nutzbare Fläche von 600 Quadratmetern – das Badeschiff bekommt bald Konkurrenz.

www.spree2011.de

VON UWE RADA

Wenn die Fische bald wieder mit dem Bauch nach oben in der Spree schwimmen, wissen die Berliner: Es herrscht Starkregen. Die mehr als hundert Jahre alte Kanalisation kann dann Niederschlag und Abwasser nicht mehr aufnehmen und leitet die Brühe durch 63 Überlaufrohre in die Spree. Die bleibt damit, was sie schon lange ist – einer der dreckigsten Flüsse Deutschlands.

Umso mehr freute sich Ralf Steeg, als er diese Woche Post vom Bundesforschungsministerium bekam. Nach fünf Jahren Forschen, Entwickeln und Klinkenputzen soll der Ingenieur zusammen mit der TU Berlin 1,7 Millionen Euro bekommen, um sein Projekt „Spree2011“ am Osthafen auf Praxistauglichkeit zu prüfen. Steeg hat nämlich eine Idee: Er will die Hauptstadtbrühe sauber machen. Mehr noch: Bis 2011 sollen die Berliner in ihrem Fluss wieder baden können.

Im Prinzip ist alles ganz einfach: An den 63 Überläufen, die bislang an mehr als 30 Starkregentagen den Regen-Abwasser-Mix in die Spree leiteten, sollen Behälter angebracht werden. In ihnen wird das Schmutzwasser gesammelt, um es zu gegebener Zeit wieder der Kanalisation zuzuführen. So wird der Fluss nach und nach sauber und erreicht Badewasserqualität.

Doch nun gibt es Bedenken gegen das ehrgeizige Projekt. „Für dieses Vorhaben haben wir in der Spree gar nicht den nötigen Platz“, kritisiert der Referatsleiter Gewässerschutz aus der Senatsumweltverwaltung, Stein. Vor allem an den Engpässen in der Innenstadt würden die mindestens drei Meter breiten Behälter die Schifffahrt behindern.

Stein setzt dagegen auf das „Sanierungsprogramm für die Mischkanalisation“, das der Senat zusammen mit den Berliner Wasserbetrieben seit 1999 betreibt. Für insgesamt 80 Millionen Euro sollen bis 2020 neue unterirdische Rückhaltebecken errichtet und Schwellen in die Kanalisation eingebaut werden. Diese sollen das Wasser länger im Kanalsystem halten.

„Aber selbst dann werden wir in der Spree keine Badewasserqualität haben“, meint Stein. Grund dafür sei die geringe Fließgeschwindigkeit des Gewässers. 30 Tage braucht das Spreewasser, bis es die Stadt durchquert hat. In sehr trockenen Sommern fließt die Spree sogar rückwärts.

Mit Skepsis betrachtet nicht nur die Umweltverwaltung Steegs Pläne. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält wenig von „Spree2011“. „Der Gewässerschutz spielt da wohl eher eine untergeordnete Rolle“, glaubt BUND-Flussexperte Manfred Krauß. „Vielmehr geht es den Initiatoren darum, möglichst viele Plattformen auf der Spree zu platzieren.“ Der Fluss, fürchtet er, werde zum Event.

Tatsächlich will Steeg nicht nur Badegäste in den Fluss, sondern auch Kundschaft auf seine Behälter locken. Diese nämlich sollen, mehrfach aneinandergereiht, zu neuen „Inseln“ in der Spree werden. Auf denen kann man dann Kaffee trinken, Caipirinha schlürfen oder sogar Freiluftkino gucken. Interessenten gebe es bereits, freut sich Steeg.

Mit der Vermietung der „Inseln“ soll der Bau weiterer Behälter finanziert werden. Insgesamt, rechnet Steeg vor, „sind wir 70 Prozent billiger als bei einer konventionellen Lösung“.

Solchen Argumenten kann sich auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) nicht entziehen. Seine Verwaltung unterstützt „Spree2011“ inzwischen. Neue Technologien, gepaart mit Spiel und Spaß, das könnte schließlich bald zum Berliner Exportschlager werden.

So werden also künftig zwei Technologien an der Spree zum Einsatz kommen: der konventionelle Bau unterirdischer Speicher sowie das Pilotprojekt von „Spree2011“ am Osthafen. Und eine Sprachregelung haben die Kontrahenten inzwischen auch gefunden. Sie lautet: Wir ergänzen einander.