: Neutraler Netzregulierer möglich
Stromkonzerne suchen im Streit mit der EU-Kommission anscheinend Kompromiss
BERLIN taz ■ Die marktbeherrschenden Stromkonzerne in Deutschland wollen mit einem Kompromissvorschlag der drohenden Enteignung ihrer Energienetze zuvorkommen. Nach Informationen von Handelsblatt und Süddeutscher Zeitung haben die Versorger Eon, RWE, Vattenfall und EnBW der EU-Kommission angeboten, die Strom- und Gasleitungen von unabhängigen Treuhändern verwalten zu lassen – wenn sie weiterhin Eigentümer bleiben. Ab morgen beraten die europäischen Regierungschefs in Brüssel über die zukünftige Energiepolitik. Dabei wird es auch um Lösungen für mehr Wettbewerb auf den europäischen Energiemärkten gehen.
Die EU-Kommission droht den vier Energiekonzernen seit einigen Monaten mit der Zerschlagung, weil sie mit ihrer Marktmacht die Zahl konkurrierender Anbieter niedrig und die Strompreise hoch halten. „Um den Wettbewerb zu stärken, wollen wir den Netzbetrieb und die Produktion voneinander trennen“, sagte gestern Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Um das zu verhindern, schlagen die deutschen Energieversorger vor, ihre Strom- und Gasnetze mit denen in Frankreich, den Beneluxstaaten und Spanien zu bündeln. Offiziell halten sich die Unternehmen zu der Initiative jedoch bedeckt. Eine taz-Anfrage bei Eon blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
„Ich fürchte, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver der Energiekonzerne handelt“, sagte Uwe Leprich vom Institut für Zukunftsenergiesysteme der HTW Saarland der taz. „Wenn – wie es den Anschein hat – der unabhängige Netzbetreiber über Investitionen entscheiden kann, dann werden davon unausweichlich eigentumsrechtliche Fragen berührt“, so Leprich. Schließlich müsste das Geld für Investitionen in die Netze von den Eigentümern aufgebracht werden. „Es scheint mir nicht zu Ende gedacht, wenn man eine Lösung, die noch nicht einmal auf nationaler Ebene funktioniert, gleich europaweit einführen will.“ Leprich plädiert stattdessen für unabhängige Netzbetreiber, die auch Eigentümer des Netzes sind. „Das wird bereits in elf EU-Ländern erfolgreich praktiziert.“
Für Alois Auer von Deutsche Bank Research ist der Ausgang des Streits noch völlig offen. „Die vollständige eigentumsrechtliche Trennung der Energienetze von der Stromerzeugung wäre ideal“, sagte Auer der taz. Ein Netzbetreiber ohne Eigentumsrechte müsse aber kein Zierfisch sein. „Er kann durchaus Reißzähne haben“, meint Auer. Bisher habe sich die nationale Politik als Bremser für mehr Wettbewerb im Strommarkt erwiesen. Vor allem Deutschland und Frankreich lehnen die Pläne aus Brüssel bislang ab. „Für eine Lösung ist jetzt höchste Politik gefordert“, sagte Auer. TARIK AHMIA