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Archiv-Artikel

Große Koalition abgewählt

Die SPD verliert, CDU verliert, Linke und Grüne gewinnen – nach dem Ergebnis der ersten Hochrechnungen musste die FDP noch zittern. Böhrnsen will mit CDU und Grünen sondieren

Von Klaus Wolschner

Der Beifall war demonstrativ stark, als Jens Böhrnsen gestern kurz nach 18 Uhr in den Friesenhof kam, wo die Genossen auf ihn warteten. „Wie haben die Wahl gewonnen“, erklärte Böhrnsen und wiederholte es im Laufe des Abends immer wieder – das war schon etwas trotzig angesichts von knapp fünf Prozent Stimmenverlusten. Aber dass Böhrnsen das Scherf-Ergebnis von 2003 wiederholen könnte, damit hatte im Grunde doch niemand gerechnet, auch wenn die Umfragen der letzten zwei Wochen die SPD über 40 Prozent gesehen hatten. Uwe Beckmeyer, der Landesvorsitzende, hatte vor zwei Woche noch eine „vier vorn“ als Wahlziel ausgegeben.

Nach den Umfragewerten von 14,5 Prozent war der Jubel über die in den Hochrechnungen prognostizierten 16,5 Prozent natürlich groß. Mit der Spitzenkandidatin Karoline Linnert haben die Bremer Grünen das beste Ergebnis erhalten, das jemals Grüne im Bund oder in einem Bundesland bekommen hatten. Vor diesem Hintergrund gibt es für die Grünen auch keinen Zweifel daran, dass in Bremen Rot-Grün gewählt wurde und dass Linnert im nächsten Senat sitzen wird.

Auch die Linke, die im Vergleich zu den alten PDS-Werten rund sieben Prozent gewonnen hat, geht von „Rot-Grün“ aus und will dazu eine „starke Opposition“ von links machen.

Rot-Grün habe nur die Wählerschaft der Grünen „elektrisiert“, nicht die der SPD, meinte dagegen der Spitzenkandidat der CDU, Thomas Röwekamp. Für seine Wahlniederlage hatte er nur eine Erklärung: Die SPD habe sich nicht auf die große Koalition festgelegt. Seine politische Karriere könnte mit dieser Wahl beendet sein. Auf die Frage, ob er im Falle einer Rot-Grün-Regierung Oppositionsführer sein wolle, antwortete er ausweichend.

Um so klarer war der frühere Bausenator Jens Eckhoff am Wahlabend, der vor einem Jahr vom Landesvorsitzenden zum Rücktritt gedrängt worden war. Eckhoff unterstützte den – im ersten Anlauf erfolglosen – Kurs von Röwekamp: „Wenn die CDU langfristig Wahlen gewinnen will, muss sie sich nach links öffnen.“ Eckhoff sprach auch direkt eine Frage an, die in der CDU tabu ist: Er forderte personelle Konsequenzen „so schnell wie möglich“. Das bezog er „ausdrücklich“ auf den Posten des Landesvorsitzenden Bernd Neumann – „nach 28 Jahren dasselbe Gesicht“

An seinen früheren Ausspruch, dass eine große Koalition der „Ausnahmefall der Demokratie“ sein müsse, wollte Böhrnsen am Wahlabend nicht erinnert werden. In einer leidenschaftlichen Rede sagte er: „Wir werden mit denen sprechen, die in Betracht kommen – und ich sage ganz deutlich: Das ist nicht die Linke.“ Zur Partnersuche sagte er nur, die Partei werde eine „transparente Debatte“ erleben: „Ich bin Teil dieser SPD, hier geht nichts per Ordre de Mufti“, fügte er mit einem Seitenhieb auf seinen Vorgänger Henning Scherf hinzu. Nach dem Wahlergebnis, das das zweitschlechteste in der jüngeren Geschichte der SPD in Bremen ist, kann er sich allerdings auch Alleingänge nicht leisten. Hinter ihm steht Fraktionschef Carsten Sieling, der feststellte, dass das Ergebnis für eine stabile Rot-Grüne Mehrheit reiche.

Bei den rechten Gruppierungen gab es wenig Neues: Die DVU hat wieder in Bremerhaven die 5-Prozent-Hürde übersprungen und wird mit einem Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten sein. Die „Republikaner“ (Reps) und die Konservativen um Joachim Siegerist haben keine nennenswerten Stimmen bekommen, nur die Bremerhavener Liste „Bürger in Wut“ konnte nach den Hochrechnungen auf einen Sitz hoffen.

Für die Stadt Bremen zeichnete sich gestern ein Grünen-Ergebnis von 17,5 Prozent ab, die CDU hat hier noch etwas mehr verloren als im Bundesland insgesamt. Für den 24. Mai haben sowohl SPD wie Grüne ihre Landesparteitage angesetzt, um die Ergebnisse der Wahl und der bis dahin gelaufenen Sondierungsgespräche zu besprechen.

Die genauen Wahlergebnisse finden sich unter www.statistik.bremen.de