: „Leitstreifen oft zugeparkt“
AKTION Blinde demonstrieren gegen Barrieren auf ihren täglichen Wegen. Hauptproblem: Fahrräder
■ 52, ist Geschäftsführerin des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bremen e. V. und leitet die „Aktion Weg frei!“ in Bremen.
taz: Frau Reicksmann, zum heutigen „Tag des weißen Stockes“ fordern Sie mit einer Aktion „Bitte Weg frei!“. Wer blockiert Sie denn?
Martina Reicksmann: In Bremen geht es vor allem um das Blindenleitsystem. Das wird am Hauptbahnhof oft von Fahrrädern versperrt – viele wissen einfach nicht, dass der Streifen auf dem Boden für uns eine wertvolle Orientierung ist. Zwar kennt jeder Mensch den „weißen Stock“, der in Amerika vor 50 Jahren eingeführt wurde. Dafür gab es umfassende Aufklärungskampagnen und sogar in Führerscheinprüfungen werden hierzu Fragen gestellt. Das Blindenleitsystem ist hingegen weitgehend unbekannt.
Klären Sie uns auf.
Das Blindenleitsystem besteht aus den geriffelten weißen Streifens auf den Bahnsteigen und am Bahnhofsvorplatz. In den Leitstreifen befinden sich einzelne Rippen, die mit Stock und Fuß ertastbar sind und denen man folgen kann. Wenn ich auf dem Bahnsteig stehe, weiß ich dank der Riffelung, wo die Schienen sind. Zusätzlich gibt es an den Eckpunkten der Leitstreifen genoppte, quadratische Platten, die als Aufmerksamkeitszone Hindernisse und spezielle Punkte markieren, zum Beispiel den Einstieg an Straßenbahnhaltestellen.
Wo genau am Bahnhofsvorplatz gibt es Probleme?
Vor allem auf dem Weg zur Straßenbahn ist der Leitstreifen oft von Fahrrädern zugeparkt. Gerät man mit dem weißen Stock in die Speichen, kann er brechen, oder man rammt sich den Fahrradlenker in den Bauch. Zumindest ein Streifen von 60 Zentimetern muss frei bleiben, damit wir dort unfallfrei durchkommen.
Wie wollen Sie Menschen ohne weißen Stock die Probleme erklären?
Wir haben jede Menge Augenbinden und weiße Stöcke dabei. Dann kann jeder das Blindenleitsystem selbst ausprobieren. Wir haben eine Mobilitätstrainerin vor Ort und geben eine kurze Einführung. Das haben wir auch schon oft in Fortbildungen in der Altenpflege angeboten und die Resonanz war immer gut. Eine Selbsterfahrung erklärt mehr als 1000 Worte. INTERVIEW: GARETH jOSWIG
16 Uhr, Bahnhofsvorplatz