Bremen auf Linkskurs

Die Hansestadt Bremen ist das kleinste Bundesland Deutschlands: Genau genommen ist es ein „Zwei-Städte-Staat“ aus Bremen und Bremerhaven.

Einwohner: rund 660.000 Wahlberechtigte: 490.000 Autokennzeichen: HB Stimmen im Bundesrat: 3 SPD an der Macht: 62 Jahre Arbeitslosenquote: 14,9 Prozent (2006) Pro-Kopf-Verschuldung: 18.564 Euro (Niedersachsen: 6.944) Amtszeit der großen Koalition: 12 Jahre Tabellenplatz von Werder Bremen: 3 TAZ

AUS BREMEN KLAUS WOLSCHNER

Wenn die 18-Uhr-Prognosen sich am Bremer Wahlabend bestätigen, dann gelingt der Linkspartei in Bremen der Durchbruch im Westen. Viel Geld und eine intelligente Wahlkampagne hatten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi den Bremer Genossen spendiert. Beide waren mehrfach präsent. Die Wahlveranstaltungen ohne bundesweite Prominenz boten dagegen ein tristes Bild. So gilt die Linke in Bremen nicht als senatorabel oder koalitionsfähig.

Vor allem im Vergleich zu den letzten Umfragen vor zwei Wochen hat Jens Böhrnsen (57), der eher etwas schüchtern auftretende Sozialdemokrat, verloren: Nicht über, sondern deutlich unter 40 Prozent sah ihn die 18-Uhr-Prognose. Zum Politentertainer ist er nicht geboren, er erfüllt nicht die Erfolgskriterien der Mediengesellschaft. Mindestens 5 Prozent würde er verlieren, das hatte die CDU gehofft – Prozente, die sie 2003 an den immer lächelnden „Oma-Knutscher“, Böhrnsens Vorgänger Henning Scherf, 2003 verloren hatte. Aber diese 5 Prozent sind nicht zur CDU zurückgegangen, im Gegenteil – auch die CDU hat verloren.

Böhrnsen hat im Wahlkampf jegliche Schärfe vermieden. „Bremen wächst“, „Bremen bildet“, Bremen verbindet“ waren die Parolen auf den Plakaten, und am Ende wechselte er zur Landesvater-Attitüde, in die er eigentlich noch nicht richtig hineingewachsen war: „Echt Bremen. Jens Böhrnsen“. Auch die – müßige – Debatte über die desolate Finanzlage hat im Wahlkampf keine Rolle gespielt. Offenbar sind die Bremer WählerInnen aber nach zwölf Jahren großer Koalition so enttäuscht, dass beide Parteien abgestraft wurden.

Böhrnsen hatte als „Rot-Grüner“ gegolten, solange er nicht in verantwortlicher Position war. Dieses Image hat er im Wahlkampf erfolgreich abgelegt und jeglichen Hinweis auf seine politischen Präferenzen vermieden. Intern stand die Frage, ob der Verwaltungsrichter, der 1995 erstmals in die Bürgerschaft kam und da eigentlich nur große Koalition kennen gelernt hat, sich traut, gegen eine wirkliche Opposition zu regieren. Nicht nur die Umfrageergebnisse, auch der Wind aus Berlin haben ihm die Sache in den letzten Tagen einfacher gemacht. Wolfgang Jüttner, SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2008 im benachbarten Niedersachsen, hat das auf die Formel gebracht, Rot-Grün in Bremen wäre „mit Sicherheit bundespolitisch eine Lockerungsübung“.

Die Grünen, allen voran die Spitzenkandidatin Karoline Linnert, haben in den vergangenen Jahren eine wackere Oppositionsarbeit gemacht. Je mehr innerhalb der SPD die Kritik an der Politik des Koalitionspartners wuchs, desto größeren Resonanzboden hatten die Grünen. In den letzten Monaten war es eigentlich eher der parlamentarische Normalfall, wenn im Landesparlament Grüne und SPD offen oder leicht erkennbar dieselbe Sache verfochten und ihren Beifall bündelten. Applaus von der CDU für einen SPD-Redner oder umgekehrt war dagegen sehr selten zu vernehmen. Linnert hat sich von der Sozial- zur Finanzexpertin gemausert und schon vor Monaten angekündigt, dass sie im nächsten Senat dabei sein will. Ihr Erfolgsziel war „15 plus“, und auf der grünen Wahlparty quittierten „Karo“-Rufe die erste Prognose.

Einen Tag vor der Wahl hat Bremens CDU noch einmal richtig aufgedreht: Mit noch größerer Plakatpräsenz gegen das „rot-grüne Experiment“ und einem Brief an alle Haushalte brachte Spitzenkandidat Thomas Röwekamp (41) sich in Erinnerung. Das Bittere an diesem Ergebnis: Zwölf Jahre großer Koalition haben der Bremer CDU, die lange an ihrem ewigen Oppositionsmakel litt, keinen Vertrauenszuschuss gebracht.

Da es auch mit einer erfolgreichen FDP – die Zeiten, in denen die in Bremen für 10 Prozent gut war, sind lange vorbei – nicht reichen würde, hatte CDU-Chef Bernd Neumann die FDP schlicht totgeredet. Jede Stimme für die FDP, so die Botschaft des Wahlkampfs, schadet der CDU, die CDU hatte sich auf den ungeliebten Partner SPD festgelegt. Aber auch dafür hätte sie ein starkes Wählervotum, und das heißt deutlich mehr als 30 Prozent, gebraucht.

Auch die FDP drehte auf den Plakatstrecken noch einmal kräftig auf. Seit 12 Jahren war sie in Bremen „außerparlamentarisch“. Schließlich ist die FDP aber an fehlendem Personal gescheitert. Der Bremer Commerzbank-Chef steht auf der Liste der CDU, die FDP-Liste wird von einem Pressesprecher aus Hannover angeführt. Weder bekannte Namen noch politische Talente sind auf ihrer Liste zu finden.

Am rechten Rand hatten sich für die Bremer Wahl einige Gruppierungen Hoffnungen gemacht. Die DVU, die über eine Bremerhavener Sonderregelung mit einem Abgeordneten im Landesparlament vertreten war, musste gegen ein massives Plakataufgebot der Republikaner kämpfen. Im Resultat konnten die rechten Gruppen immerhin ein Potenzial von gut 7 Prozent mobilisieren, mussten sich das aber zu dritt aufteilen. Nur über die Bremer Besonderheit einer Fünfprozentklausel allein für den Wahlkreis Bremerhaven, die der DVU seit Jahren einen Sitz bescherte, konnten sie gestern noch auf Parlamentssitze hoffen.