: Moment, Aufnahme
IM BLICK Der Monat der Fotografie feiert 10-jähriges Bestehen. Wie haben sich die Fotoszene und das Festival entwickelt?
■ Der Europäische Monat der Fotografie Berlin ist Deutschlands größtes Fotofestival. Nach dem Vorbild des Pariser Mois de la Foto fand er erstmals 2004 in Berlin statt. Alle zwei Jahre präsentieren seither zahlreiche Museen, Galerien, Fotoschulen und Kulturinstitutionen in Berlin und Potsdam Ausstellungen, Gespräche und Workshops zu historischer und zeitgenössischer Fotografie. Das Festival ist Teil eines Netzwerks europäischer Hauptstädte, die alle im gleichen Zeitraum ihre Ausstellungen zeigen.
■ Zum zehnjährigen Jubiläum steht der 6. Monat der Fotografie vom 16. 10. bis 16. 11. unter dem Motto: „Umbrüche und Utopien. Das andere Europa“. 115 Institutionen werden sich in mehr als 130 Ausstellungen mit dem Thema auseinandersetzen.
■ Zum Auftakt eröffnet heute der Gropiusbau die zentrale Ausstellung „MemoryLab: Die Wiederkehr des Sentimentalen. Fotografie konfrontiert Geschichte“. Am Eröffnungswochenende finden im Gropiusbau verschiedene Künstlergespräche und Vorträge zum Themenkomplex Erinnerungen, Fiktion und Geschichte statt. Der Eintritt ist frei.
Das vollständige Programm gibt es unter: www.mdf-berlin.de
VON NINA APIN
Es entstand aus der Liebhaberei eines Einzelnen, heute ist es das größte Fotofestival Deutschlands. Seit seiner Einführung vor zehn Jahren ist der „Monat der Fotografie Berlin“ zu einem Kulturereignis mit beeindruckender Bilanz geworden: zwei Millionen BesucherInnen, 500 Ausstellungen von 500 Partnerinstitutionen, 2.000 beteiligte FotografInnen.
Erfunden wurde die Fotobiennale in Paris, dort gibt es bereits seit den frühen Achtzigerjahren den Mois de la Foto. Nach Berlin kam das Festival vor allem deshalb, weil Thomas Friedrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter des damaligen Museumspädagogischen Dienstes, ein großer Fotografieliebhaber und Sammler historischer Berlinfotografien war. Seitdem wird der „MdF“, so die offizielle Abkürzung, von der landeseigenen Kulturprojekte Berlin GmbH organisiert. Das Budget ist winzig, mehr als 250.000 Euro aus Lottomitteln und ein paar Bezirkszuwendungen bekommt der Foto-Monat nicht. Dennoch ist das Festival Jahr für Jahr gewachsen.
Der Monat der Fotografie Berlin ist Teil des European Month of Photography (EMoP), eines Netzwerks aus acht europäischen Hauptstädten, die zeitgleich den Fotomonat begehen. Als jüngstes Mitglied ist dieses Jahr Athen dazugekommen, weitere Städte wie Sofia und Istanbul stehen auf der Warteliste. Die Zusammenarbeit sei nicht nur befruchtend, sondern auch kostensparend, sagt Kurator Frank Wagner, der die aktuelle Ausgabe des Festivals betreut. „Die Kuratoren aller teilnehmenden Städte können dieses Jahr aus einem Pool von 44 regionalen KünstlerInnen auswählen“. 16 davon hat er für die zentrale Ausstellung im Gropiusbau ausgewählt. Während das zentrale Thema „MemoryLab: Die Wiederkehr des Sentimentalen“ in allen Partnerstädten verschiedentlich umgesetzt wird, hat Berlin mit „Umbrüche und Utopien“ noch einen eigenen lokalen Akzent gesetzt. Das Geschichtsthema habe sich in diesem erinnerungsträchtigen Jahr quasi aufgedrängt, sagt Wagner. Er sei erstaunt gewesen, wie viele Institutionen sich mit ihren Ausstellungskonzepten beworben hätten: „Nur in Wien ist das Fotofieber noch größer.“
Die zunehmende thematische Bündelung hat dem Festival gutgetan. Aber auch die Fotoszene der Stadt hat sich in den letzten zehn Jahren rasant entwickelt: Neben der Galerie C/O Berlin, die bekannte Fotografennamen nach Berlin holte und einem breiten Publikum zugänglich machte, sind in den letzten Jahren hier auch renommierte Ausbildungsstätten für Fotografie entstanden. Inzwischen gibt es zwölf private und staatliche Fotoschulen in der Stadt. Der Martin Gropius Bau, der traditionell die Hauptausstellung und das Eröffnungswochenende des Festivals ausrichtet, legt seit einigen Jahren einen starken inhaltlichen Fokus auf Fotografie. Auch in Galerien spielt zeitgenössische Fotografie eine zunehmend größere Rolle.
„Berlin ist eine Stadt der Fotokunst geworden“, bestätigt Steffi Schulze von der renommierten Charlottenburger Galerie Camera Work. „Viele unserer Sammler kommen mittlerweile von außerhalb – das war vor zehn Jahren noch anders.“ Auch habe sich der Monat der Fotografie professionalisiert. Daran teilzunehmen ist für eine international bekannte Galerie wie Camera Work nicht lebenswichtig, aber selbstverständlich. „Das Festival ist sensationell wichtig für die Anerkennung der Fotokunst in dieser Stadt“, findet Schulze. Für die Zukunft wünscht sie sich mehr historische Ausstellungen aus dem Fundus landeseigener Archive.
STEFFI SCHULZE, GALERIE CAMERA WORK
Für Barbara Esch Marowski vom Haus am Kleistpark ist das Festival ein dringend notwendiges Marketinginstrument – und ein unentbehrlicher Ort für Begegnungen. Die kommunale Galerie, die mit kleinem Budget wirtschaften muss, profitiert von der großen öffentlichen Aufmerksamkeit. Schon die Präsenz im Festivalkatalog lohnt sich – „wir spüren es bei den Besucherzahlen“, so Esch Marowski. Auch für die Programmentwicklung des Hauses ist das regelmäßige Zusammentreffen mit Künstlern, Kuratoren, Kritikerinnen essenziell. Manchmal sei es allerdings sehr schwer, den immer enger werdenden inhaltlichen Vorgaben des Festivals Genüge zu tun: „Wir planen langfristig – und müssen dann eine geplante Fotoausstellung schieben, weil sie nicht ins Thema passen.“
Auch für kleinere Projekträume, von denen es in Berlin derzeit viele gibt, ist es schwer, ins Festival zu passen: Viele von ihnen planen so kurzfristig, dass sie anderthalb Jahre vorher noch kein Konzept in der Schublade haben. „Ich finde das ausgesprochen schade – der Monat der Fotografie soll ja kein Festival der Großen sein, sondern die ganze Vielfalt anbieten“, sagt Frank Wagner. Er ist stolz darauf, auch kleine Teilnehmer wie die Robert Morat Galerie mit ihrer Ausstellung von Ute und Werner Mahler im Angebot zu haben.
Der Fotograf Carsten Thielker, selbst ehemaliger Betreiber einer kleinen Verkaufsgalerie, findet das Programm des Festivals hingegen immer noch reichlich dürftig – gemessen an großen Events in Städten wie Arles oder Paris. „Der Monat der Fotografie ist eher ein Branchentreffen. Aber um ein echtes Publikumsfestival zu werden, müsste er stärker im öffentlichen Raum präsent sein“, so Thielker. Außerdem könne Berlin noch viel mehr für die Fotografie tun: „Warum schreibt die Stadt nicht ein Stipendium für einen Stadtfotografen aus? Das würde das Niveau der Fotografie noch einmal deutlich heben“.