: Freiheit, Folter und Fortschritt
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sexualpolitiken, Recht und Repräsentation“ hält der poststrukturalistische Theoriestar Judith Butler am Freitagabend einen Vortrag über Sexualpolitiken, Folter und Säkularisierung
Schon seit dem letzten Wochenende beschäftigt sich in Hamburg ein unter anderem vom Institut für Queer Theory organisiertes Veranstaltungskonglomerat aus Vorträgen, Workshops, Filmprogramm und einer Ausstellung mit dem Thema „Sexualpolitiken, Recht und Repräsentation“. Am meisten Aufsehen wird dabei der Vortrag der US-amerikanischen Philosophin und Gender-Theoretikerin Judith Butler am Freitagabend in der Hamburger Uni erregen.
Die Professorin für Rhetorik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der European Graduate School und der University of California in Berkeley gilt spätestens seit ihrem 1989 erschienenen Buch „Gender Trouble. Feminism and the subversion of identity“ (deutsch: „Das Unbehagen der Geschlechter“) – worin sie den wirkungsmächtigen Versuch unternimmt, mit kritischem Bezug u. a. auf Simone de Beauvoir, Julia Kristeva, Sigmund Freud, Jacques Lacan, Jacques Derrida und insbesondere Michel Foucault, zur „Geschlechter-Verwirrung“ anzustiften – international als absoluter Theoriestar. Vor allem den Feminismus, die Queer Theory, die politische Philosophie und die Ethik hat sie mit ihren Überlegungen zu Macht, Geschlecht, Sexualität und Identität maßgeblich beeinflusst. Die Newsgroup „alt.culture“ beschreibt sie etwa als „one of the superstars of ’90s academia, with a devoted following of grad students nationwide“. Butlers Wirkung geht jedoch weit über akademische Zirkel hinaus. Regelmäßig platzen die Hörsäle, in denen sie ihre Vorträge hält, aus allen Nähten; sieht man junge Menschen in Kneipen T-Shirts mit ihrem Counterfeit tragen.
Am Freitagabend wird Butler sich mit dem Komplex Freiheit, Folter und Fortschritt auseinandersetzen. Ihre These ist, dass die westlichen Gesellschaften der Gegenwart von einem Modell des Fortschritts geprägt sind, das eine säkulare Version einer Zivilisierungsmission darstellt. Diese sei nicht weniger dogmatisch als beispielsweise religiöse Fundamentalismen. Butler will aufzeigen, auf welche Weise dieses Fortschrittsmodell rassistische Migrationspolitiken und heteronormative Politiken des Sexuellen miteinander verschränkt, so dass Rassismen und Homophobie gerechtfertigt und gleichzeitig Praktiken der Folter als Instrumente des Fortschritts präsentiert werden können.
Ihr zentrales philosophisches Argument – dass der abendländische Begriff der Freiheit auf diese Weise zum Instrument des Zwangs und der Gewalt wird – ist dabei in konkrete politische Analysen eingebettet. Als Beispiele dienen ihr u. a. Einbürgerungstests in den Niederlanden und die Kriegspraxen der Bush-Administration im Irak und in Afghanistan – wie sie etwa in den Bildern sexualisierter Folterszenarien in Abu Ghraib deutlich werden.
Ein Workshop am Samstag will die Butler’schen Überlegungen in Bezug auf die ambivalente Politik der Menschenrechte zuspitzen. Die zentrale Frage dabei wird sein, welche Bedeutung dem Diskurs über die Menschenrechte in geschlechter- und sexualpolitischen Kämpfen zukommt und welche kritischen Einwände es gegen diesen Bezug auf die Rechte eines Menschen gibt. Problematisiert werden sollen dabei aus der Perspektive queerer Theorie einerseits das zumeist heteronormative Bild des Menschen, die verborgenen Politiken der Macht und der Universalismus des Diskurses über Menschenrechte.
Bis zum 30. Mai befasst sich zudem die Ausstellung „Behauptungen ausstellen, Haltungen einnehmen, Strike a pose!“ mit den Prozessen der Herstellung von Zweigeschlechtlichkeit, deren Gewaltförmigkeit, mit dem – produktiven – Scheitern an ihr und den Strategien des Unterlaufens geschlechtlicher Eindeutigkeit. Dabei sollen pathologisierende und diskriminierende Repräsentationen der Medizin, der Sexualwissenschaften und der Medien kritisiert werden. Gleichzeitig sollen aber auch Räume eröffnet werden, in denen ein Scheitern an der Norm zum produktiven Ereignis werden kann.ROBERT MATTHIES
Vortrag: Fr, 18. 5., 18.30 Uhr, Uni Hamburg Hauptgebäude, Hörsaal A, Edmund-Siemers-Allee 1; Workshop: Sa, 19. 5., 10.30 Uhr bis 20 Uhr, Anmeldung unter mail@queer-institut.de , Kostenbeitrag: 10 bis 30 Euro, nach Selbsteinschätzung; Ausstellung: Mi, 16. 5., 19 Uhr, Galerie Helga Broll, Kirchenallee 25; bis 30. 5.