Nagels Videoaugen vor dem Kadi
Verwaltungsgericht verhandelt kommende Woche über die Zulässigkeit der polizeilichen Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Die Richter müssen die jüngste Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen
Das Verwaltungsgericht befasst sich nächste Woche noch einmal mit der Frage, ob die Videoüberwachung der Reeperbahn zulässig ist. Gegen die Überwachung geklagt hatte eine Anwohnerin, deren Wohnungsfenster von einer Kamera überstrichen wurde. Im Eilverfahren hatte ihr zuletzt das Oberverwaltungsgericht Recht gegeben: Die Kamera musste mit einer mechanischen Sperre ausgestattet werden, die sicherstellt, dass die Polizei nicht in die Privaträume der Frau sehen kann. Der Fall wird jetzt im Hauptsacheverfahren aufgerollt.
Dabei wird der Versuch des Innensenators Udo Nagel (parteilos) verhandelt, den HamburgerInnen durch Grundrechtseingriffe das Gefühl zu geben, sie seien sicher: die Videoüberwachung des öffentlichen Raums. Im Falle der Reeperbahn ist besonders problematisch, dass Hauseingänge erfasst werden, sodass die Polizei sehen kann, wer ein- und ausgeht.
„Das Gericht misst der Angelegenheit offensichtlich große Bedeutung bei“, sagt der Anwalt der Klägerin, Dirk Audörsch. Indiz ist für ihn, „dass diese mündliche Verhandlung nicht nur vor dem Einzelrichter, sondern vor einer Kammer von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern stattfindet“. Dies liege vermutlich an einer kürzlich getroffenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
In dem Fall war es um die Videoüberwachung von Resten einer mittelalterlichen Synagoge in Regensburg gegangen. Da es zu mehren unschönen Vorfällen gekommen war, meinte die Stadt, den Ort mit vier Kameras überwachen zu müssen. Das so gewonnene Bildmaterial stelle einen „Eingriff von erheblichem Gewicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar“, urteilten die Verfassungshüter.
Es sei im Prinzip ein verständliches Anliegen, durch die Videoaufnahmen mögliche Straftaten zu verfolgen oder durch die abschreckende Wirkung Leute von Straftaten abzuhalten. Da jedoch überwiegend Menschen gefilmt würden, „die selbst keinen Anlass geben, dessentwegen die Überwachung vorgenommen wird“, reiche das Bayrische Datenschutzgesetz als Ermächtigungsgrundlage nicht aus.
„Auch der Paragraf 8 Absatz 3 des Hamburger Polizeigesetzes zur Datenverarbeitung dürfte nicht ausreichend sein, um einen solch schweren Grundrechtseingriff zu rechtfertigen“, meint Audörsch. Zudem sei der von Nagel angepriesene Effekt der Prävention und Abschreckung nicht eingetreten. Obwohl die Reeperbahn und der Hans-Albers-Platz seit einem Jahr von zwölf schwenkbaren und Zoomvideokameras beäugt werden, ist die Zahl der Straftaten auf dem Kiez gestiegen. KAI VON APPEN