Sex im Schein der Energiesparlampe

Warum ausgerechnet Klimaschutzprodukte so miese Vibrations auslösen, erklärt das Klimaschutzparadox

Eine Freundin von mir sagte mal, Sex im Scheine einer Energiesparlampe könne sie sich nicht vorstellen. Die Haut wirke sicher wie im Leichenschauhaus. Sie hatte sich allerdings noch nie unter einer Energiesparlampe hingegeben. Der Herausgeber einer Wochenzeitung schrieb mir mal, ein 3-Liter-Auto sei wie der Verzicht auf eine Flasche Wein. Dieser Sportwagenliebhaber, der heute für ein Amt in Hamburg kandidiert, war bis dahin noch nie in einem 3-Liter-Auto gefahren. Ein Verwandter meinte bei einer Neuwagenkaufberatung durch Ökosex, er könne es sich imagetechnisch nicht vorstellen, in einem effizienten Elektro-Cityel rumzufahren (www.cityel.de). Er saß noch niemals in seinem Leben in einem Leichtelektromobil, dafür häufig in einem Steinzeit-Mini (8 bis 9 Liter Verbrauch). Meine Lieblingsschwiegermutter lebte lange mit der Vorstellung, im Passivhaus dürfe man die Fenster nicht aufmachen. Sie war noch nie in einem Passivhaus beim Kaffeetrinken eingeladen.

Sie merken, es geht beim Klimaschutz auch um Gefühle und Vermutungen. Was wollen uns die Emotionen dieser heiteren Zeitgenossen erklären? Sie bringen uns auf die Spur des Klimaschutzparadoxes. Nur wenn wir das Klimaschutzparadox effektiv bekämpfen, werden wir ins Nirwana der solaren Effizienzrevolution einziehen können.

Aber erst der Reihe nach: Für den Klimaschutz braucht Ökosex vor allem die Hilfe der Cappuccino-Trinker, die gern das Geld in überteuerten Bars und mit ihrem Handy (Roaming!) aus dem Fenster schmeißen. Denn ein Ökosex Leitmotiv heißt bekanntlich: Am mangelnden Geld liegt es nicht, dass wir das Klima versauen. Nein, Geld wäre da, die Cappuccino-Trinker müssen es nur für die richtigen Sachen ausgeben. Das ist das Schöne an der Konsumgesellschaft. Viele haben die Wahl. Und so leisten sie sich individuellen Verkehr in überzüchteten, viel zu teuren Autos. All die Drogen und der Schnaps sind auch nicht billig! Besonders Wohlhabende leisten sich sogar Tellerwarmhalteschubladen in ihren Küchen. An sich nix verkehrt damit! Der Klimaschutz – wie Ökosex nicht müde wird zu erklären – braucht den Konsum!

Leider muss es im Angesicht der finanziellen Spielräume von [2]/3 der deutschen Haushalte heute noch heißen: Wir könnten, aber wir wollen uns derzeit Klimaschutz nicht leisten. Natürlich könnten sich viele – wie die Mitglieder des Ökosex-Klimaclubs – grünen Strom, Photovoltaik, Windanteile, Isolierung und Energiesparautos kaufen. Warum tun es so wenige trotz Klimaschutz-Medienoverkill?

Es liegt am Klimaschutz-Paradox. Produkte, die etwas für den Klimaschutz bedeuten, werden dadurch nicht etwa attraktiver, sondern unattraktiver. Paradox: Das liegt auch an der heftigen Medienberichterstattung. Dadurch steht Klimaschutz für Komplexität, Verzicht, Chinesen, Moral, Ökos, und das lädt leider die schönen innovativen Produkte negativ auf. Alte Ökosex-Weisheit: Problem und tolles Produkt passen nicht zusammen. Deshalb wird man mit einem 3-Liter-Auto auch so mitleidig angesehen. Die Vermutung heißt: Viel Geld bezahlt für wenig Spaß. Verzichtsalpträume! Bad Vibrations! Und wann rechnet sich die Solaranlage, fragen mich viele? Eine miese Aufladung bedeutet nämlich auch, dass die normalsten Spielregeln der Konsumgesellschaft beim Klimaschutzkonsum nicht greifen. Niemand kann sich vorstellen, dass man gerne mit solarerwärmtem Wasser duscht, weil man es grassomat findet. So wie man flaches Fernsehen toll findet und da gerne mal 2.000 Euro versenkt.

Was tut Ökosex dagegen? Wir meinen, da hilft nur Konsum predigen! Das Kaufen von innovativen Produkten, die andere Produkte vollständig ablösen, ist ein Markenzeichen dieser Konsumgesellschaft. Röhrenfernseher weg – flacher Fernseher her. Drei Jahre alter Computer weg – Windows-Vistas-Computer her. Also muss es auch heißen: Kohlestrom weg – Ökostrom her. Nicht in erster Linie, weil wir die Welt retten wollen, sondern weil wir Braunkohlelöcher uncool finden. Weil wir das Photovoltaikmodul so doll lieben. Weil es nämlich auch flach ist. Also es bleibt dabei: Stromkonsumenten in die Produktion, Häuser zu Saftzwergen, Strom einspeisen und Konzerne abspeisen.

Übrigens, Ökosex ist leidenschaftlicher Unterstützer von www.100-prozent-erneuerbare.de

MARTIN UNFRIED über ÖKOSEX

Energiesparlampensex? kolumne@taz.de Montag: Dieter Baumann geht LAUFEN