: „Bei den gemeinsamen Werten hapert es“
Russland muss seine konfrontative Außenpolitik beenden, fordert der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff
ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF, 40, außenpolitischer Sprecher der Liberalen im Europaparlament
taz: Herr Lambsdorff, welches Interesse hat Russland überhaupt noch an einem neuen Partnerschaftsabkommen mit der EU?
Alexander Graf Lambsdorff: Russland hat nach wie vor großes Interesse an engen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU und versucht, die gegenwärtigen Beziehungen auf diesen Aspekt sehr stark zu verengen. Das ist etwas, was die EU so nicht mitmachen sollte.
Die EU aber braucht das russische Gas und will eine strategische Partnerschaft …
Strategische Partnerschaft setzt drei Dinge voraus: gemeinsame Interessen, gemeinsame Ziele und gemeinsame Werte. Mindestens bei den gemeinsamen Werten hapert es derzeit sehr stark. Die demokratische Entwicklung ist in Russland ins Stocken geraten: Oppositionsparteien werden drangsaliert, die elektronischen Medien befinden sich nahezu alle unter Kontrolle des Kreml, und Nichtregierungsorganisationen werden staatlich finanziert oder eben nicht zugelassen. Natürlich ist auch Tschetschenien nach wie vor ein Problem.
Also ist ein partnerschaftlicher Umgang mit Russland derzeit unmöglich?
Wenn man eine realistische Bewertung der Lage in Russland vornimmt, heißt das nicht, dass man Zusammenarbeit und Dialog mit Russland einstellen sollte. Sowohl die gegenseitige Abhängigkeit – wir brauchen Öl und Gas aus Russland und Russland braucht Euro – als auch die schlichte geografische Nähe und die alte kulturelle Verbundenheit machen deutlich: Es muss einen Dialog geben. Es war richtig, diesen Gipfel zu machen, selbst wenn er keine konkreten Ergebnisse bringt.
Wie wird es weitergehen?
Wir müssen den Russen jederzeit klarmachen, dass wir in zwei Punkten unterschiedlicher Auffassung sind. Erstens muss der Westen die demokratischen Kräfte in Russland unterstützen, ohne dass der Kreml dagegen vorgeht. Zweitens müssen sich die Russen darüber klar werden, dass die baltischen Republiken jetzt EU-Mitglieder sind. Russland muss eine partnerschaftliche Außenpolitik betreiben. Nicht eine konfrontative, die darauf abzielt, die EU, aber auch die Nato und die USA voneinander zu spalten, in der Hoffnung, dann eigenen Einfluss zur Geltung bringen zu können.INTERVIEW: NICOLE MESSMER