Aus die Maus

Ein Mann wurde Bochum: Erst am Saisonende durfte Dribbelstar Dariusz Wosz noch einmal groß aufspielen

Das große Abschiedsspiel kommt erst noch: Am 8. September will Dariusz Wosz nach 15 Profijahren seine Fußballerkarriere feierlich im Bochumer Ruhrstadion beenden. Aber eigentlich braucht es das gar nicht mehr. Einen besseren Abschied gibt es nicht, als die Einwechslung gegen Absteiger Borussia Mönchengladbach in der 70. Minute, das schöne Zuspiel von Pavel Drsek, den platzierten Schuss und das spielentscheidende zweite Tor im Auswärtsspiel. Nach dem Schlusspfiff trug Bochums Mannschaft ihren kleinen Mittelfeldmann auf den Schultern, als würde er für eine erfolgreiche Saison gekrönt. Dabei hatte Dariusz Wosz am achten Platz der Bochumer in der Abschlusstabelle fast keinen Anteil.

In der laufenden Spielzeit stand der 37-jährige Ex-Kapitän nur noch ganz selten im Kader. Wer ihn dennoch suchte, fand ihn eher bei den angeschlagenen Spielern: „Dariusz Wosz, Muskelprobleme“ war dann auf den Aufstellungszetteln zu lesen, derweil hüpfte der 17-malige Nationalspieler geschmeidig die Tribünentreppen hinunter. Der Ausklang einer Fußballlaufbahn, die in der DDR begann.

Wosz wurde zwar in Kattowitz geboren, lernte jedoch als polnisches Emigrantenkind in Halle das Fußballspielen. Wie Matthias Sammer, Thomas Doll oder Andreas Thom war er auf einem Sportinternat. Weil er so klein geriet, wäre er von den ostdeutschen Sportlehrern fast zum Eiskunstläufer umgeschult worden.

Mit dem Halleschen FC spielte Wosz schon als Heranwachsender in der Oberliga, wurde in die DDR-Auswahl berufen. Der blieb Wosz auch beim allerletzten Freundschaftsspiel gegen Belgien treu. Eigentlich ist Mannschaftstreue keine typische Eigenschaft von erfolgreichen Fußballspielern, Wosz ist da eine Ausnahme.

1992 wechselte der wendige Trickser nach Bochum und blieb gleich einmal sechs Jahre beim VfL, obwohl es Angebote von Valencia gab oder von Paris Saint Germain. Ein Vereinswechsel hätte sich für ihn und erst Recht für den chronisch klammen Verein schwer gelohnt. Aber Wosz hatte keine Lust auf Abgang, keine Lust aufs Ausland. Er soll die Verhandlungen hintertrieben haben. Vielleicht war es seine Angst vor Fremdsprachen – er kam mit elf ohne Deutschkenntnisse aus Polen in die DDR. Jedenfalls schimpfte Bochums Präsident Werner Altegoer damals über seinen bodenständigen Angestellten. Den ersten Bochumer Nationalspieler seit Jupp Tenhagen soll er tatsächlich „Schmierlapp“ genannt haben.

Erst 1998 ging dann doch ein Transfer der so genannten „Zaubermaus“ über die Bühne, selbstverständlich blieb der innerdeutsch. Und Hertha BSC lag zudem nicht weit weg von Halle. Und auch dort hielt Wosz zu Bochum weiter engen Kontakt. Er versöhnte sich sogar mit dem Präsidenten und 2001 konnte er zurückkehren zum Bochumer Berg-und Talfußball zwischen erster und zweiter Liga.

Nach 346 Ligaspielen, zwei UEFA-Cup-Runden und vier Aufstiegen mit seinem Lieblingsclub will Wosz dem Verein weiter die Treue halten – übrigens spielten nur Michael Lameck, Lothar Woelk und Walter Oswald häufiger im VfL-Dress. Der Fußballpensionär arbeitet bereits als Jugendtrainer und macht gerade den A-Trainerschein. In seiner Wahlheimat Bochum ist der gelernte Koch zudem an einem Gastro-Unternehmen beteiligt.CHRISTOPH SCHURIAN